Berufliche Weiterbildung hat sich stark gewandelt
Die berufliche Weiterbildung hat sich in den ersten Monaten der Corona-Pandemie im Frühsommer 2020 stark gewandelt – digitales selbstgesteuertes Lernen wurde deutlich h?ufiger als vorher aus beruflichen Gründen genutzt. Von der st?rkeren Nutzung digitaler Lernangebote profitieren jedoch nicht alle Besch?ftigtengruppen gleich. Die Pandemie scheint die Polarisierung zwischen den Bildungsgruppen nicht verringert, sondern sogar noch versch?rft zu haben. Zu diesem Schluss kommt die neueste Auswertung der Corona-Zusatzbefragung im Nationalen Bildungspanel.
Bildungsferne Besch?ftigte profitieren nicht
Bei der Frage, welche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Krise digitale Lernangebote aus beruflichen Gründen wahrgenommen haben, zeigt sich, dass Besch?ftigte mit einem Hoch- oder Fachhochschulabschluss mit einem Anteil von 30 Prozent dominieren. Die Nutzungsquote bei den Erwerbst?tigen mit oder ohne beruflicher Ausbildung lag demgegenüber nur bei 13 bzw. 18 Prozent.
?Entgegen der Hoffnung aus der Politik, dass eine Ausweitung des digitalen Lernens besonders bei bildungsfernen Schichten ankommt, beobachten wir in den ersten Monaten der Pandemie eine ?hnlich stark ausgepr?gte Bildungsungleichheit in der Nutzung der digitalen beruflichen Weiterbildung wie zuvor“, so Prof. Dr. Corinna Kleinert vom Leibniz-Institut für Bildungsverl?ufe (LIfBi), Inhaberin der Professur für Soziologie mit dem Schwerpunkt l?ngsschnittliche Bildungsforschung an der Universit?t Bamberg und Hauptautorin des Berichts.
Homeoffice begünstigt digitales Lernen
Noch deutlicher kann die Autorengruppe die digitale Spaltung in den ersten Monaten der Pandemie beim Blick auf die Nutzung des Homeoffice zeigen. Bereits vor der Pandemie nutzten Personen im Homeoffice digitale Lernangebote deutlich h?ufiger (34 Prozent) als diejenigen, die nicht von zuhause arbeiten konnten (16 Prozent). Die (in der Krise weitaus gr??ere) Gruppe der Erwerbst?tigen, die von zuhause aus arbeiten konnten, nutzte digitale Lernangebote bereits in den ersten Monaten der Pandemie ?hnlich h?ufig wie im gesamten Jahr zuvor (35 Prozent). Umgekehrt lernten diejenigen ohne Zugang zum Homeoffice seit dem Beginn der Pandemie nochmals deutlich seltener digital, n?mlich nur noch zu 7 Prozent.
Insgesamt zieht Corinna Kleinert ein ernüchterndes Fazit: ?Die Pandemie scheint die Polarisierung zwischen den Bildungsgruppen trotz der Niedrigschwelligkeit digitaler Lernangebote nicht verringert, sondern sogar noch versch?rft zu haben. Zum Teil geht diese Entwicklung auf Ungleichheiten in der Ver?nderung der Arbeitswelt aufgrund der Corona-Krise zurück. Erwerbst?tige, die das Homeoffice nutzen konnten, haben vor und w?hrend der Krise h?ufiger digital gelernt als andere.“
Digitale Lernangebote erreichen neue Besch?ftigtengruppen
Positive Entwicklungen konnten die Forschenden jedoch auch feststellen. Sie zeigten sich vor allem bei Besch?ftigten in Berufen mit geringer Computernutzung. Diese nutzten in den ersten Monaten der Pandemie etwas h?ufiger digitale Weiterbildungsangebote als zuvor. Die Autorengruppe schlie?t daraus, dass die Nutzung digitaler informeller Lernangebote w?hrend der Pandemie in neue Besch?ftigtengruppen vorgedrungen ist. Allerdings k?nnte es sich hierbei auch nur um einen kurzfristigen Effekt handeln, der auf das Erlernen des Umgangs mit neuen Arbeitswerkzeugen wie Videokonferenzen, Teamsoftware oder Lernplattformen zurückzuführen ist.
Für die Auswertung wurden die Angaben von knapp 1.800 im Februar 2020 berufst?tigen Personen der Jahrg?nge 1944 bis 1986 genutzt, die seit 2009 in der Startkohorte 6 (Erwachsene) des Nationalen Bildungspanels auf ihrem Bildungsweg begleitet werden. Der Bericht zur Nutzung digitaler Lernangebote w?hrend der Corona-Krise wurde von Forschenden des Leibniz-Instituts für Bildungsverl?ufe (LIfBi) in Bamberg, des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg und des Wissenschaftszentrums Berlin (WZB) in Berlin gemeinsam verfasst.
Alle Ergebnisse der Auswertung finden sich im vollst?ndigen Bericht ?Wer bildet sich in der Pandemie beruflich weiter?“, der auf www.lifbi.de/Corona zum Download bereit steht, sowie in einem ausführlicherem LIfBi Working Paper.
?ber das NEPS und die Zusatzbefragung
Das Nationale Bildungspanel (NEPS), das am Leibniz-Institut für Bildungsverl?ufe (LIfBi) in Bamberg beheimatet ist, besteht aus sechs gro?en Teilstudien, den sogenannten Startkohorten. Diese umfassen insgesamt mehr als 60.000 getestete und befragte Personen von der Geburt über Ausbildungs- und Erwerbsphase bis hinein in die Nacherwerbsphase sowie 40.000 zus?tzlich befragte Personen aus deren Umfeld, etwa Eltern und p?dagogisches Fachpersonal. Die Stichproben der Startkohorten wurden repr?sentativ für ganz Deutschland gezogen. Die so erhobenen Daten werden anonymisiert und Bildungsforschenden weltweit zug?nglich gemacht.
Das NEPS wird getragen von einem interdisziplin?r zusammengesetzten, deutschlandweiten Exzellenznetzwerk, in dem zw?lf renommierte Forschungsinstitute zusammenarbeiten. Geleitet wird das NEPS von Prof. Dr. Cordula Artelt vom Leibniz-Institut für Bildungsverl?ufe, die den Lehrstuhl für Bildungsforschung im L?ngsschnitt an der Universit?t Bamberg innehat.
Durch die Zusatzbefragungen im Mai und Juni 2020 wurden die aktuellen Erlebnisse und Eindrücke der NEPS-Teilnehmenden in der Zeit zwischen dem Beginn der Beschr?nkungen und den ersten Lockerungen w?hrend der Corona-Krise ermittelt und gemeinsam mit den anderen L?ngsschnittdaten des NEPS für die Bildungsforschung nutzbar gemacht. Die Daten wurden gewichtet und poststratifiziert, um Verzerrungen in der Stichprobe auszugleichen.
In den Zusatzerhebungen wurden fünf gro?e Themenbereiche des Lebensalltags abgefragt: Familie und deren Betroffenheit durch die Krise, die aktuelle Erwerbssituation, Bildung und Lernen, Vertrauen in Politik und Gesellschaft sowie Gesundheit und Wohlbefinden. Die so erhobenen Daten lassen sich heranziehen, um ein differenziertes Bild der Corona-Auswirkungen auf die Befragten und ihr soziales Umfeld zu erhalten.
?ber das Leibniz-Institut für Bildungsverl?ufe (LIfBi)
Das Leibniz-Institut für Bildungsverl?ufe (LIfBi) in Bamberg untersucht Bildungsprozesse von der Geburt bis ins hohe Erwachsenenalter. Um die bildungswissenschaftliche L?ngsschnittforschung in Deutschland zu f?rdern, stellt das LIfBi grundlegende, überregional und international bedeutsame, forschungsbasierte Infrastrukturen für die empirische Bildungsforschung zur Verfügung.
Kern des Instituts ist das Nationale Bildungspanel (NEPS), das am LIfBi beheimatet ist und die Expertise eines deutschlandweiten, interdisziplin?ren Exzellenznetzwerks vereint. Weitere Gro?projekte, an denen das LIfBi beteiligt oder führend ist, sind die Geflüchtetenstudie ReGES, das schulbezogene Inklusionsprojekt INSIDE, die F?rderstudie für benachteiligte Kinder und Familien BRISE.
Grundlage dafür sind die eigenen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten, insbesondere die fundierte Instrumenten- und Methodenentwicklung für l?ngsschnittliche Bildungsstudien, von der auch andere Infrastruktureinrichtungen und -projekte profitieren.
Bild(355.8 KB): Corinna Kleinert hat eine verst?rkte Polarisierung von Bildungsgruppen unter Besch?ftigten w?hrend der Pandemie festgestellt.
Quelle: LIfBi/Thomas Riese
Weiterführende Informationen für Medienvertreterinnen und -vertreter:
Medienkontakt LIfBi:
Dr. Florian Mayer
Tel.: 0951/863-3573
kommunikation(at)lifbi.de
Medienkontakt Universit?t Bamberg:
Patricia Achter
Forschungskommunikation
Tel.: 0951/863-1146
forschungskommunikation(at)uni-bamberg.de