Blick von Norden auf die Abteigeb?ude von St. Michael links und die zugeh?rige Propstei rechts mit der Kirche St. Getreu.

Prof. Dr. Hubel bei einem seiner Vortr?ge, um Weingartengegner umzustimmen. (Bilder: Achim Hubel)

Langzeitprojekt Welterbepark

Prof. Dr. Achim Hubel über die Reaktivierung der Klosterlandschaft St. Michael

Die ?unglaublichen Reize“ der Weltkulturerbestadt verzauberten Achim Hubel schon, als er das erste Mal durch Bamberg spazierte. Speziell die Klosterlandschaft St. Michael hatte es ihm angetan. Sie war damals – in den 1980er Jahren – erheblich gef?hrdet, weil die sogenannte Bergverbindungsstra?e geplant war, die als Relikt einer veralteten Vorstellung von der ?autogerechten“ Stadt in den 60er Jahren entwickelt und jahrzehntelang favorisiert wurde. Sie h?tte die Klosterlandschaft von St. Michael komplett durchschnitten und damit zerst?rt. Schlie?lich gelang es, dieses Projekt zu verhindern. Stattdessen sollte die bedeutende Klosterlandschaft, die in ihren Strukturen noch weitgehend erhalten war, restauriert und rekultiviert werden.

Bereits 1983 entwickelten  Studierende des Aufbaustudiums Denkmalpflege der Universit?t Bamberg im Rahmen einer Abschlussarbeit ein Konzept zur Sanierung des ?u?erst bauf?lligen südlichen Pavillons im barocken Terrassengarten von St. Michael. Der Pavillon wurde unter der Leitung des damaligen Absolventen Wolfgang Frickert  von 1985 bis 1989 saniert. Trotz der arbeitsintensiven Sanierung war man noch lange nicht am Ziel, denn der barocke Terrassengarten selbst war noch immer g?nzlich zugewachsen. ?Daher entwickelte der Gartenarchitekt und -denkmalpfleger Helmut Wiegel, ebenfalls ein Absolvent der Universit?t Bamberg, auf der Basis einer genauen Bestandsdokumentation ein Parkpflegewerk für eine Rekonstruktion des Gartens“, erkl?rt Hubel. Hierbei stie? Wiegel allerdings auf heftige Proteste. Vor allem der Bund für Umwelt und Naturschutz befürchtete, es k?nne ein mittlerweile entstandenes, wertvolles Biotop zerst?rt werden. Schlie?lich einigte man sich auf einen Kompromiss. In den Jahren 1996 bis 1999 wurden die geplanten Ma?nahmen, zu denen auch die Sanierung des N?rdlichen Gartenpavillons geh?rte, umgesetzt.

Nachdem abgestorbene B?ume und Gestrüpp entsorgt wurden, folgte die Freilegung bzw. Neupflanzung der ursprünglichen Bestückung mit Kornelkirschen und Obstb?umen. Dabei legten die Denkmalpfleger Wert darauf, dass im Terrassengarten wichtige Eigenschaften des früheren Biotops bewahrt wurden, um den Lebensraum von Tierarten wie den selten gewordenen Schwarzblauen Ameisenbl?uling zu erhalten. Diese Schmetterlingsart ist zum ?berleben auf seine Wirtspflanze, den Gro?en Wiesenknopf, und seinen Hauptwirt, die Rotgelbe Knotenameise, angewiesen.

Als Bamberg den Zuschlag für die Landesgartenschau 2012 erhielt, sah Hubel neue Chancen für die Klosterlandschaft. Er schlug vor, das Areal in die Landesgartenschau einzubeziehen und ein Nutzungskonzept zu entwickeln, dessen Realisierung das mittelalterliche Geb?ude-Ensemble und seinen Garten wieder st?rker in das Bamberger Leben integrieren soll.  Die Landesgartenschau Bamberg GmbH stimmte dieser Idee zu.

Rekultivierung des Weinbergs

Zun?chst richtete sich die Aufmerksamkeit auf den ehemaligen Weinberg am Südhang des Klosters, der schon seit dem 12. Jahrhundert für die Weinwirtschaft genutzt worden war, bis man im Lauf des 19. Jahrhunderts den Weinbau allm?hlich aufgab. Stattdessen entstanden ab der ersten H?lfte des 20. Jahrhunderts einige Streuobstwiesen, die aber zu Beginn des 21. Jahrhunderts weitgehend verwildert waren. Viele Obstb?ume waren verholzt oder sogar abgestorben. Grünfl?chen wurden durch liegengebliebenes Fallobst übers?uert. In der Folge begannen dort Gras und Brombeerdickichte zu wuchern. An den n?rdlich anschlie?enden Stützmauern zum Abteigel?nde und an der Au?enwand eines Südflügels begannen die Pflanzen sogar, die Bausubstanz zu zerst?ren: ?Dort wuchs Efeu hoch, der mit teilweise armdicken St?mmen in den Mauerfl?chen verwurzelt war und den Quaderverband erheblich gesprengt hatte. Es bestand die Gefahr, dass die Mauern bersten und das darüber liegende Plateau mit der Orangerie abrutscht“, erz?hlt Hubel.

Schlie?lich erm?glichte die bevorstehende Landesgartenschau eine Rekultivierung des Weinbergs, da die ehemalige Abtei mit ihren Grünfl?chen in das Ausstellungskonzept einbezogen wurde. Im August 2008 fand eine arch?ologische Lehrgrabung für Studierende der Denkmalpflege im Bereich des Weinbergs statt. Hierbei ist die barocke Struktur der 1743 neu angelegten Terrassen zutage getreten. Die Finanzierung der Grabung erfolgte je zur H?lfte durch die Bürgerspitalstiftung und die Landesgartenschau GmbH.

Die Gartenarchitektin und Denkmalpflegerin Marion Dubler, auch eine Absolventin des Bamberger Aufbaustudiums Denkmalpflege, entwickelte ein Konzept für die Wiederherstellung des Weinbergs. Hierbei sollten in den Randbereichen die Obstb?ume stehen bleiben, wohingegen auf der Hauptfl?che die Obstb?ume durch Weinreben ersetzt werden sollten. Daraufhin entstanden neue Proteste und die Bürgerinitiative ?Rettet die Streuobstwiesen“ formierte sich. In kürzester Zeit wurden so viele Unterschriften gesammelt, dass die Stadt verpflichtet war, einen Bürgerentscheid durchzuführen. Dank des ?F?rdervereins Landesgartenschau Bamberg e.V.“ und mithilfe zahlreicher Vortr?ge von Achim Hubel gelang es, die ?Weinbergsgegner“ dazu zu bewegen, den Antrag auf den Bürgerentscheid zurückzuziehen. Schlie?lich konnte im Frühjahr 2009 mit der Bepflanzung des Weinbergs begonnen werden.

Gro?er Auftritt: Landesgartenschau 2012

Unter Berücksichtigung der historischen Grünfl?chen ist geplant, die Klosterlandschaft St. Michael in die Landesgartenschau 2012 mit einzubeziehen. ?Aufgrund des Welterbestatus und der herausragenden Bedeutung des Klosters vom Mittelalter bis zur S?kularisation k?nnten hier auf innovative Weise historische Aspekte der Landschafts- und Gartennutzung aufgearbeitet und demonstriert werden“, meint Hubel. Allerdings teilte diese Ansicht anfangs nicht jeder. So dauerte es ein Jahr, bis finanzielle Unterstützer für das Projekt gewonnen werden konnten. Der Grund für die anf?ngliche Skepsis der Sponsoren liegt für Achim Hubel klar auf der Hand: ?Vielen ist gar nicht bewusst, um was es hier geht. Die Besonderheit dieses Projekts kann man nicht am Biertisch erkl?ren. Man muss die Sch?nheit der Klosterlandschaft selbst erleben und sich die Geschichte dazu erz?hlen lassen.“ Glücklicherweise erh?lt das Projekt nun finanzielle Unterstützung von der Oberfrankenstiftung, der Sparkassenstiftung Bamberg, der Edgar Wolf’schen Stiftung und der Landesgartenschau GmbH. Dadurch wurde es m?glich, zwei wissenschaftliche Mitarbeiter jeweils für die Dauer eines knappen Jahres zu besch?ftigen.

Der Historiker Dr. Hans-J?rg Künast, der von Prof. Dr. Mark H?berlein vom Lehrstuhl für Neuere Geschichte betreut wird, soll das Archivmaterial bezüglich der Klosterlandschaft aufarbeiten. Das einschl?gige Kartenmaterial der relevanten Best?nde wurde bereits von der Arbeitsgruppe ?Inventarisierung der Stadt Bamberg“ des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege zusammengetragen. Auch die Pl?ne wurden georeferenziert und zeitlich differenziert dargestellt in Bezug auf historische Wege, Geb?ude, Waldungen und landwirtschaftliche Fl?chen, die abermals aufgeschlüsselt wurden nach Wein-, Obst- und Gartenbau. Die Zeitschnitte reichen bis etwa 1750 zurück. ?Die Aufgabe von Hans-J?rg Künast wird es nun sein, die Zeitschnitte noch detaillierter zurückzuverfolgen. Au?erdem sollen einschl?gige Informationen zu allen Arten des Gebrauchs der Klosterlandschaft recherchiert werden“, erkl?rt Hubel. Dabei untersucht man Obstbaumfelder, Waldbewirtschaftung, Steinbrüche, Weinbau und Kelterei, Fischweiher und Fischerh?user, Schafhof, Schweizerei (Hof für Vieh- und Milchwirtschaft), Kleintierhaltung, Wald- und Weidefl?chen, Imkerei sowie verschiedene Wirtschaftsformen und die Bepflanzung des barocken Terrassengarten und der übrigen G?rten.

Die zweite Stelle besetzt der Landschaftsplaner Felix Lüdicke, welcher von Prof. Dipl.-Ing. Regine Keller vom Lehrstuhl für Landschaftsarchitektur und ?ffentlicher Raum an der Technischen Universit?t München betreut wird. Er soll zum einen die Klosterlandschaft St. Michael nach allen historischen Spuren durchsuchen und inventarisieren, damit m?glichst viele Informationen aus dem noch erhaltenen Bestand heraus gewonnen werden k?nnen. Zum anderen soll er Planungen erarbeiten, die auf eine zukünftige Gestaltung der Klosterlandschaft abzielen.

?Ob bis zur Landesgartenschau Teilprojekte realisiert werden k?nnen, l?sst sich derzeit noch nicht absehen“, so Hubel. Allerdings sei w?hrend der Landesgartenschau auf jeden Fall eine Ausstellung in der ehemaligen Orangerie des Klosters geplant. Sie soll die gewonnen historischen Erkenntnisse zusammenfassen und auf der Basis von Kartenmaterial und vielf?ltigen Informationen die Geschichte der Klosterlandschaft darstellen. Weiterhin sollen die Besucher im Anschluss an die Ausstellung durch die Klosterlandschaft geführt werden, wobei sie – durch Hinweistafeln und Aussichtspunkte – auf die Besonderheiten und die Relikte der alten Nutzungen und Strukturen aufmerksam gemacht werden k?nnten.

Darüber hinaus hat Achim Hubel folgende Vision: ?Bis zum tausendj?hrigen Gründungsjubil?um der Abtei St. Michael im Jahre 2015 ist eine Art Welterbepark geplant, in welchem die ehemaligen, immer noch erhaltenen Wege der Klosterlandschaft saniert und die vielen, zum Teil sehr alten Hecken entlang der Wege zurückgeschnitten, nachgepflanzt und gepflegt werden sollen. Vielleicht lassen sich auch einige der früheren Obstbaumfelder oder weitere Weinbergfl?chen rekonstruieren.“ Durch Informationstafeln werde das Leben und der Alltag einer mittelalterlichen Benediktinerabtei anschaulich gemacht. Zudem k?nnten Kunstwerke im freien Raum die Parkfl?chen bereichern, und dazu beitragen, dass hier eines der attraktivsten Naherholungsgebiete für die Bamberger Bürger entstehen würde. Aber auch für Touristen aus aller Welt würde Bamberg noch interessanter werden, da sie neben dem Weltkulturerbe auch den ?Welterbepark St. Michael“ kennen lernen k?nnten.