Die Bamberger Slavistik untersucht Sprache und Literatur, aber auch Kunst und Kultur (Foto: Fanghong/wikimedia/CC BY 3.0)

Die G?ste bekamen einen ?berblick über das Fach und seine Geschichte (Fotos: Philipp Demling)

Abgerundet wurde die Jubil?umsfeier durch eine Theaterszene aus Der Meister und Margarita von Michail Bulgakov

Von der Oder bis zum Japanischen Meer, vom Polarkreis bis kurz vor den Bosporus sprechen Menschen Slavisch (Foto: Bukkia/wikimedia/gemeinfrei)

?ber 30 Jahre alt und noch im Wachstum

Fach Slavistik feiert sein Jubil?um

Von der Oder bis zum Japanischen Meer, vom Polarkreis bis kurz vor den Bosporus reicht das Siedlungsgebiet der slavischen V?lker. Rund 400 Millionen Menschen weltweit sprechen mindestens eine der slavischen Sprachen. Trotzdem gilt sie in Deutschland immer noch als exotisches Fach: die Slavistik. ?Ihre Situation war schon immer von der politischen Gro?wetterlage abh?ngig“, verdeutlichte Vizepr?sident Prof. Dr. Sebastian Kempgen in seiner Begrü?ung. ?Mit Willy Brandts Ostpolitik hat sich ihre Situation ge?ndert, ebenso mit der Perestroika und sp?ter mit Putin.“ In Bayern gibt es momentan drei Universit?tsstandorte für dieses Fach: München, Regensburg – und Bamberg. In den n?chsten Jahren sollen in Bamberg Lehre und Forschung auf den Kaukasus ausgeweitet werden, auch um die Lücke zur Orientalistik zu schlie?en.

Dozenten beim Geheimdienst?

Dabei sei es fast ein Wunder, dass es in Bamberg überhaupt noch Slavistik gebe, erkl?rte Prof. Dr. Peter Thiergen, ehemals Lehrstuhlinhaber für Slavische Literaturwissenschaft: ?Als ich vor 25 Jahren hierher kam, glichen die Russisch-Kurse oft Kaffeekr?nzchen. ?ber die Muttersprachler unter dem Lehrpersonal ging das Gerücht um, sie arbeiteten mit dem sowjetischen Geheimdienst zusammen.“ Nicht nur deswegen habe das Fach um seine Existenzberechtigung k?mpfen müssen: So habe es 800 bis 1.000 Germanist-Studierende gegeben, immerhin 100 in der Orientalistik – und nur 20 bis 30 in der Slavistik. Doch über die Jahre, so Thiergen weiter, habe die Bamberger Slavistik beachtliche Erfolge feiern dürfen: Zusammen mit der Universit?t Erlangen begründete die Slavische Literaturwissenschaft eine Zweigstelle der Südosteuropa-Gesellschaft in Bamberg.1997 sei es erstmals gelungen, den Deutschen Slavistentag in die Domstadt zu holen. Bei einer Evaluation aller bayerischen Universit?ten in den Jahren 1999/2000 wurde Bamberg zum nordbayerischen Slavistik-Zentrum auserkoren.

Sprache und Literatur, Kunst und Kultur

Seit 2008 verfügt das Fach neben den beiden Lehrstühlen für Sprach- und Literaturwissenschaft auch über eine Professur für Kunst- und Kulturgeschichte. Diese bereichert das Profil der Bamberger Slavistik, weil sie in Deutschland einzigartig ist, betonte Prof. Dr. Ada Raev: ?Für ein vertieftes Verst?ndnis der slavischen Kulturen mit ihrem je eigenen Rhythmus und mit ihren Wechselwirkungen mit anderen Kulturen sind visuelle Kompetenzen, davon bin ich überzeugt, unabdingbar.“ Dazu trage die unmittelbare Begegnung mit Identit?t stiftenden Kunst- und Kulturdenkm?lern wesentlich bei. Neue Themen und Ziele sind seitdem im Bamberger Angebot: So veranstaltete die Professur 2009 zusammen mit der Literaturwissenschaft eine Exkursion zu den Kunstsch?tzen Sankt Petersburgs, 2011 ging es nach Moskau. Zurzeit forscht Raev zum Thema Die Rolle des Balletts in der russischen Kultur. ?Mein gro?er Traum ist es, ein Buch über die Theatralit?t in der russischen Kunst zu verfassen“, so Ada Raev bei der Vorstellung ihres Lehrstuhlprofils.

Prof. Dr. Elisabeth von Erdmann ist seit 2005 Inhaberin des Lehrstuhls für Slavische Literaturwissenschaft. Für sie habe es eine Rückkehr nach Bamberg bedeutet, wo sie zwischen 1987 und 1994 Assistentin war, so Erdmann. In Forschung und Lehre folge sie dem Gesamtkonzept der Slavistik. Am Lehrstuhl für Slavische Literaturwissenschaft wird deshalb zu ost-, west- und südslavischen Bereichen geforscht, mit folgenden Schwerpunkten: Poiesis der Dichter, Spuren der Renaissance in der russischen Kultur, Kroatischer Humanismus, Darwin in Russland, Polonistische Kulturwissenschaft, Realismus, Romantik, Symbolismus und Schillermythos in Russland. Auch die Doktorarbeiten widmen sich spannenden slavistischen Fragestellungen wie der stalinistischen Konstruktion des Juden und der Kanonbildung an sowjetischen Schulen der 20er und 30er Jahre, erz?hlte die Professorin. Die slavische Literaturwissenschaft betreibt die Zweigstelle der Südosteuropa-Gesellschaft und organisiert darüber hinaus zahlreiche Gastvortr?ge und Dichterlesungen sowie zusammen mit der slavischen Kunst- und Kulturgeschichte und der Europ?ischen Ethnologie Exkursionen. Sie begründete zusammen mit dem Kollegen Goldt aus Mainz die Reihe Tusculum slavicum.

Auch die Slavische Sprachwissenschaft an der Universit?t Bamberg ist sehr aktiv. Das müsse sie auch sein, so Sebastian Kempgen, denn nicht zuletzt durch die Sp?taussiedler h?tten sich in den letzten Jahrzehnten ganz neue Forschungsgebiete entwickelt. Die Sprache der Aussiedler aus den ehemaligen Mitgliedsstaaten der Sowjetunion, die ab Anfang der 1990er Jahre nach Deutschland kamen und oft das Russische mit dem Deutschen mischten, sei vor 30 Jahren noch kein Thema gewesen. Wichtig seien auch ?13 Exkursionen in fünf L?nder“ gewesen, so Sebastian Kempgen, wobei er mit den Studierenden meist in kleine, wenig beachtete L?nder reise, die für die Entwicklung des slavischen Sprach- und Schrifttums von gro?er Bedeutung seien – etwa Bulgarien, Makedonien oder Slowenien. Au?erdem er?ffneten sich im Master gerade für die Linguisten unter den Slavisten in Bamberg bald weitere Perspektiven. Als Spezialisierung kann man dabei zwischen unseren drei Bereichen Sprachwissenschaft, Literaturwissenschaft und Kunst- und Kulturgeschichte w?hlen.

Waldreiche Gebiete und kalte Winter

Prof. Dr. Lorenz Korn, Dekan der Fakult?t für 188bet亚洲体育备用_188体育平台-投注*官网 Kulturwissenschaft und selbst Orientalist, erinnert daran, dass einige der ?ltesten Quellen über die Slaven aus orientalischen Federn kommen. Ahmad ibn Fadlān, von Bagdad ausgesandter Botschafter, berichtete um 900 nach Christus über Kleidungs- und Schmucksitten der Wolgabulgaren, die in der Gegend der heutigen Stadt Kasan siedelten. Ein anderer Autor schrieb, dass die Gebiete der Slaven weit ausgedehnt und waldreich seien. Der Winter br?chte dort, wenig überraschend, oft schrecklichen Frost mit sich. ?ber die Bemühungen an der Universit?t Bamberg, die Nachfolger dieses eigenartigen Volkes zu erforschen, sagt Lorenz Korn: ?Die Bamberger Slavistik zeigt eine breit gef?cherte Aktivit?t, und sie gilt zurecht als Profilfach an unserer Fakult?t.“

Gro?e Unkenntnis

Wer Slavistik studiert, wird oft gefragt: ?Und was willst Du damit sp?ter machen?“ Dr. Johannes Grotzky, Festredner der Jubil?umsfeier, beweist mit seinem Lebenslauf, dass man es als Slavist durchaus weit bringen kann: Er ist seit zehn Jahren H?rfunkdirektor des Bayerischen Rundfunks. Dass der Bedarf – nicht nur bei der ?ffentlichkeit, sondern auch unter Fachleuten – gro? ist, sich mit der Region auseinanderzusetzen, belegte Grotzky mit einer Anekdote. Als er sich als junger Reporter um eine Korrespondentenstelle im Südosteuropa-Studio der ARD beworben habe, fragte ihn einer der Chefredakteure nach Kenntnissen einer nicht-existenten Sprache: ?Sprechen Sie denn überhaupt Jugoslawisch?“