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Im Internet gibt es Aufrufe, Marco und seiner Familie zu helfen.

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Rechtsexperte Christian Rumpf besch?ftigt sich mit dem Fall Marco W.

- Bianka Morgen

Jugendlicher Leichtsinn oder schwerwiegende Straftat?

Interview mit Christian Rumpf über den ?Fall Marco W.“

Der Fall Marco W. Ein gro?es Medieninteresse hat in den letzten Monaten das Schicksal eines jugendlichen Türkei-Urlaubers hervorgerufen, dem der sexuelle Missbrauch eines minderj?hrigen M?dchens vorgeworfen wird. Wir Sprachen mit Rechtsexperte Christian Rumpf, Lehrbeauftragter der Universit?t Bamberg, über die Aussichten des Angeklagten.

Es ist der letzte Tag ihres Osterurlaubs in der Türkei: Marco W. wird mit seiner Familie zum Hotelmanager gerufen. Hier erwarten ihn zwei M?nner, die den Jungen und seine Familie zum ?rtlichen Polizeipr?sidium bringen. Ihm wird vorgeworfen, ein 13-j?hriges M?dchen vergewaltigt zu haben. Tats?chlich hatte Marco mit einer jungen Engl?nderin aus der Hotelanlage geflirtet. Allerdings hatte sie sich als 15-J?hrige ausgegeben. Zu diesem Zeitpunkt glaubt die ganze Familie noch, dass sich alles schnell aufkl?rt und sie mit ihrem Sohn bald nach Hause kann. Das war im April. Mittlerweile sitzt der 17-J?hrige seit sieben Monaten in türkischer Untersuchungshaft. Sechs Verhandlungstage sind verstrichen – ohne Ergebnis!

Rechtsanwalt Prof. Dr. Christian Rumpf, Honorarprofessor an der Universit?t Bamberg und Experte für das türkische Rechtssystem, erkl?rt im Interview, was Marco zu erwarten hat und ob das scheinbar langsame Voranschreiten des Prozesses wirklich so unüblich ist.

Herr Rumpf, ist es vergleichsweise normal, dass Marco W. bereits über ein halbes Jahr in Untersuchungshaft ist?

Natürlich ist eine so lange Untersuchungshaft hart. Aber die türkische Justiz ist hier nicht brutal oder unverh?ltnism??ig. Schon gar nicht im Vergleich zur italienischen oder deutschen Justiz in solchen F?llen. Dem jungen Mann wird eine schwere Straftat vorgeworfen. Au?erdem besteht Fluchtgefahr. Hier betr?gt die H?chstdauer der U-Haft bis zu drei Jahren.

Aber auch die Verhandlung scheint nicht vorw?rts zu kommen. Woran liegt das?

Dass keine wesentlichen Entwicklungen eingetreten sind, h?ngt haupts?chlich damit zusammen, dass das Opfer weder vom Gericht noch von Marcos Verteidigern pers?nlich zum Tathergang befragt werden konnte. Und ohne das Erscheinen des M?dchens im Gerichtssaal wird es schwer, ein ordentliches Urteil zu f?llen.

Charlottes Anwalt ?mer Aycan hat eine schriftliche Aussage seiner Mandantin vorgelegt. Inwieweit kann diese vom Gericht berücksichtigt werden?

Ob das Gericht die schriftliche Aussage von Charlotte verwendet, kann ich nicht sagen. Im Prinzip ist diese Aussage wertlos, hierzu müsste das Gericht Charlotte pers?nlich h?ren. Denkbar w?re auch eine Anh?rung in England. Allerdings habe ich den Eindruck, dass das Gericht die schriftliche Aussage immerhin für die Verl?ngerung der Untersuchungshaft verwendet hat. Dies ist nicht unzul?ssig. Denn für die Anordnung oder Verl?ngerung der Untersuchungshaft genügt ja der dringende Tatverdacht.

Wie beurteilen Sie Aycans Vorgehen?

Er vertritt Charlotte so, wie man es von einem Strafverteidiger erwarten darf. Wahrscheinlich sieht sich der Anwalt aber nicht nur als Vertreter der Interessen von Charlotte, sondern vor allem auch ihrer Eltern, die ihn ja vermutlich bezahlen. Denn nur so kann ich mir seine harte Linie erkl?ren. Es f?llt auch auf, dass sich – jedenfalls in den uns zug?nglichen Medien – noch kein britischer Anwalt zu Wort gemeldet hat, w?hrend sich für Marco ausschlie?lich deutsche Anw?lte melden.

Mit welcher Strafe muss Marco nun rechnen?

Das ist schwierig zu sagen. Dabei spielen viele Faktoren eine Rolle, etwa ob Marco beweisen kann, dass er dachte, die Engl?nderin sei 15 Jahre alt. Dann würde es voraussichtlich zu einer Haftstrafe von zwei bis drei Jahren kommen – eventuell auf Bew?hrung. Nicht  zu untersch?tzen ist aber die Gefahr einer Versch?rfung, denn die Staatsanwaltschaft geht von Kindesmissbrauch aus. Dies würde für den Minderj?hrigen eine H?chststrafe von zehn Jahren bedeuten. Sollte bewiesen werden, dass Marco mit dem schlafenden M?dchen – also ohne ihr Einverst?ndnis – Verkehr hatte, gibt es keine M?glichkeit mehr, die Strafe zur Bew?hrung auszusetzen. Die H?chststrafe ist aber eher unwahrscheinlich. Vermutlich wirkt sich das Verhalten des M?dchens, für das auch ihre Eltern Verantwortung tragen, strafmildernd aus.

Der Fall hat in der ?ffentlichkeit und in den Medien hohe Wellen geschlagen. Insbesondere wurden die Haftbedingungen in der Türkei diskutiert. Dort gibt es teilweise 30-Mann-Zellen. Wie sehen die Gef?ngnisse dort tats?chlich aus?

Rechtlich müssen auch in der Türkei Straf- und Untersuchungsh?ftlinge sowie Erwachsene und Jugendliche getrennt werden. Zurzeit kann es durchaus sein, dass diese Trennung noch nicht konsequent durchgeführt wird. Aber interessant ist, dass kleinere Hafteinheiten (zum Beispiel Sechs-Mann-Zellen) von der türkischen ?ffentlichkeit als ?Isolationsfolter“ bezeichnet werden, in der die H?ftlinge nicht sozial integriert werden. Andererseits kann es in gro?en Zellen natürlich eher zur Bildung von banden?hnlichen Strukturen kommen. Ob dies in Antalya der Fall ist, entzieht sich allerdings meiner Kenntnis.

Dieser Prozess betrifft nicht nur Opfer und T?ter, sondern auch internationale Beziehungen zwischen drei L?ndern. In Deutschland haben sich einige Politiker sehr negativ gegenüber der türkischen Justiz ge?u?ert.

Einige deutsche Politiker haben sich in der Tat sehr unglücklich verhalten und sich eklatant schlecht informiert gezeigt. Ich bin der Meinung, dass auch die britische Perspektive einbezogen werden muss. Das w?re Aufgabe der deutschen Politik. Der deutschen und britischen Regierung muss klar werden, dass wir es hier nicht mit zwei, sondern mit drei Perspektiven zu tun haben, die gegeneinander stehen. Und wenn dann wenigstens Briten und Deutsche eine gemeinsame Position f?nden, die auch die türkische Perspektive respektiert, dann k?nnte m?glicherweise allen Beteiligten geholfen werden. Und damit letztlich auch Marco. Denn auch wenn die Schwere der Tat als solche nicht kleingeredet werden sollte, so ist sie doch wohl eher das Produkt jugendlicher Unbedarftheit als das eines Sexualverbrechers.

Der n?chste Verhandlungstermin soll am 20. November stattfinden. Ob das Gericht dann endlich zu einem Ergebnis kommt, wird sich zeigen. Der 17-j?hrige Marco hat bisher nicht nur ein Schuljahr, sondern auch sieben Monate seines Lebens verloren. Wie es Charlotte tats?chlich geht, wei? bisher niemand.