Das Ziel der Aktion ?Lebendiges Deutsch“ ist es, Alternativen für überflüssige Anglizismen zu finden. Die Frage wird sein, ob die Alternativvorschl?ge, etwa für den ?Airbag“ , eine breite Akzeptanz erreichen werden (Bilder: Photocase)

?Laptop“ oder ?Klapprechner“ - welcher Sprachgebrauch wird sich durchsetzen?

Holger Klatte wertete über 50.000 Einsendungen aus (Bild: 188bet亚洲体育备用_188体育平台-投注*官网stelle)

- Julia Aden

Die Vokabelretter

Wie das ?Prallkissen“ nicht nur Autofahrern, sondern auch der deutschen Sprache helfen soll

In der Werbung wird Wert auf Internationalit?t und Modernit?t gelegt. Da spielt das Verst?ndnis eines Werbemottos in der Bev?lkerung, von der 60 Prozent kaum oder überhaupt kein Englisch sprechen, nur eine Nebenrolle. Einige Firmen haben Sprüche wie ?every time a good time“ und ?come in and find out“ bereits durch deutsche Alternativen ersetzt, jedoch sei dahingestellt, ob die neuen Motti wirklich von allen geliebt werden und jedem das Leben sch?ner machen.

Auch das Fernsehen schreckt offenbar vor vermeintlich verstaubtem, ?unhippem“ Deutsch zurück und wird daher auch nie ?Deutschlands n?chstes Spitzenmodell“ suchen.

Allein die Etablierung des ?weltweiten Netzes“ brachte das deutsche Volk dazu, Meetings lieber zu canceln und stattdessen Files downzuloaden, Messages zu mailen oder auf ihrer Homepage zu surfen. Die Einbindung fremder W?rter in die deutsche Grammatik ist legitim, schlie?lich spricht man in Amerika auch von ?bratwursts“ statt Würsten. Auch ist nichts dagegen einzuwenden, einige Fremdworte in die Muttersprache zu übernehmen, denn sogar die Amerikaner haben einen ?kindergarden“ und ?schnapps“ wie die Deutschen die Flatrate und den Countdown. Jedoch w?re zu erw?gen, ob es wirklich n?tig ist, englische Begriffe einzudeutschen, für die es bereits eine deutsche Entsprechung gibt.

Ein serienm??iger Bum-Zisch-Boing

Neben dem bekannten Verein der Deutschen Sprache e. V. existiert die Stiftung Deutsche Sprache. Diese hat im Februar 2006 das Projekt Aktion ?Lebendiges Deutsch“ ins Leben gerufen, welches sich die Erforschung und Verbreitung eben jener sch?nen deutschen Worte anstelle der popul?ren Anglizismen zur Aufgabe macht. Das Filtern der eingesendeten Vorschl?ge bew?ltigt der Bamberger Sprachwissenschaftler Dr. Holger Klatte fast im Alleingang. Bisher fand er zusammen mit einer Jury für 24 h?ufig genutzte Anglizismen durchsetzungsf?hige deutsche Alternativen. Einige k?nnten durchaus Karriere machen, wie zum Beispiel ?Prallkissen“ (Airbag) oder ?Denkrunde“ (Brainstorming); andere werden es vermutlich schwer haben, sich gegen ihren englischen Bruder durchzusetzen. Der lautmalerische Vorschlag eines serienm??igen ?Bum-Zisch-Boing“ in Pkw bewirkt, wie der ?Luftkn?del“, eher ein Schmunzeln, als dass er die eigentliche Bedeutung erkl?rte. Ein Klapprechner (statt Laptop) weckt antiquierte Vorstellungen eines modernen Schreibger?tes und Hatzfra? (statt Fast Food) klingt ebenso wenig appetitlich wie der Nachsteller (statt Stalker) gef?hrlich. Die deutschen Ohren scheinen sich an die englischen Kl?nge und die damit assoziierte Modernit?t gew?hnt zu haben.

?berma? an Adaptionsbereitschaft

Im Vergleich zu Franzosen und Spaniern besitzen die Deutschen ein ?berma? an Adaptionsbereitschaft und offenbar einen entsprechend l?dierten Stolz bezüglich ihrer Muttersprache. M?glicherweise rührt die Scheu vor einem nationalen Sprachbewusstsein noch vom vergangenen Nationalsozialismus her. Jedoch sind Gebrauch der Sprache und politische Orientierung immer noch zwei unterschiedliche Paar Schuhe. Sp?testens durch Spiegel-Kolumnist Bastian Sick, der davor warnte, ?Sinn zu machen“ und den Genitiv seines Lebens zu berauben, wurden die Deutschen auf die Tücken, aber auch auf die M?glichkeiten ihrer Muttersprache aufmerksam gemacht. Auch die Aktion ?Lebendiges Deutsch“ will Anglizismen keinesfalls unbedingt aus dem deutschen Sprachgebrauch verbannen – manchmal ist dies auch gar nicht m?glich, weil sich keine einheitlichen Entsprechungen für komplexe englische Begriffe finden lassen (so zum Beispiel bei dem Wort ?Cluster“) oder es sich um durchaus anerkannte und nicht wegzudenkende Lehnw?rter wie Lift, Sport, Schal (von engl. shawl), Keks oder Scheck handelt – sie will lediglich zu einem bewussten Umgang mit der eigenen Muttersprache anleiten.

Wie so oft ist es auch eine Frage des pers?nlichen Geschmacks, wie viele Fremdw?rter respektive Anglizismen man benutzt, und das goldene Mittelma? muss jeder selbst finden. Jedoch bietet die deutsche Sprache genügend M?glichkeiten und zudem auch noch sehr sch?ne, so dass man als Muttersprachler unbedenklich stolz auf diese Sprache sein darf. Statt German zu recyceln und für designtes Denglisch zu voten, sollte man sich nicht scheuen, der Wiederverwendung des Deutschen zuzustimmen und zumindest einige Anglizismen unverblümt zu trashen, Verzeihung, in die Tonne zu treten!

Neben Holger Klatte engagiert sich auch Prof. Dr. Helmut Glück als Vorstandsmitglied der Stiftung Deutsche Sprache dafür, Licht in das düstere Ph?nomen der deutschen Anglophilie (und auch -phobie) zu bringen. Die Vokabelretter haben also in Bamberg eine Hochburg, ohne allerdings einem ideologischen ?bereifer zu verfallen.

Muss die deutsche Sprache geschützt werden?
Interview mit Holger Klatte über die Aktion ?Lebendiges Deutsch“

Herr Klatte, muss die deutsche Sprache unter Schutz gestellt werden?

Der Ministerpr?sident von Baden-Württemberg prophezeit, die deutsche Sprache existiere irgendwann nur noch als Haussprache und wir spr?chen im Alltag Englisch. Ich finde das etwas drastisch formuliert. Sicherlich erleben wir ein ?berma? an Anglizismen und k?nnen in bestimmten thematischen Bereichen, zum Beispiel der EDV, an der B?rse oder in der Wirtschaft, Deutsch kaum noch gebrauchen. Ein Anliegen der ?Aktion Lebendiges Deutsch“ ist es, jener Tendenz entgegenzuwirken.

Wir vernachl?ssigen unsere Sprache?

Ja. Die Deutsche Bahn zum Beispiel vermittelt mit ihrem Gebrauch der Sprache, dass Deutsch nicht modern und angesehen genug ist, um im Umgang mit den Kunden eingesetzt zu werden.
W?hrend die Bahn mit Anglizismen nur so um sich wirft, beschweren sich immer mehr Menschen darüber, dass sie zum Teil nicht mehr verstehen, um was es in einem Bahn-Faltblatt geht!

Woher kommt diese Vorliebe mancher Menschen für Anglizismen?

Die Verwendung von Anglizismen vermittelt Zugeh?rigkeit zu einer bestimmten Gruppe, Modernit?t, Wissen, Ausbildungsstand. Meistens k?nnte man sich mit einem deutschen Begriff genauso gut oder noch besser ausdrücken. Verwendet man einen Anglizismus l?uft man Gefahr, den Begriff in einem falschen Zusammenhang zu verwenden und sich l?cherlich zu machen.

Kann man alle Anglizismen aus der deutschen Sprache verbannen?

Nein. Das w?re auch gar nicht notwendig. Existieren gut entwickelte Terminologien oder etablierte Lehnw?rter, kann man diese ruhigen Gewissens verwenden. Ich sage auch weiterhin Trainer und Sport statt Leibesübungen.

Welche Begriffe bekam die meisten Einsendungen, welcher wird zu oft verwendet?

Rund 5000 Einsendungen kamen zu Brainstorming. Daraus wurde dann die Denkrunde. Negativ auff?llig ist Event.

Die Deutsche Sprache von Fremdeinflüssen befreien – zieht man mit diesem Programm nicht automatisch rechte Elemente an?

Das ist leider wahr. Natürlich lehnen wir solche Anbiederungsversuche strikt ab. Die F?rderung der deutschen Sprache hat absolut nichts mit rechtem Gedankengut zu tun. Es geht bei der Aktion nicht um die F?rderung des Nationalbewusstseins, sondern darum, dass die deutsche Sprache als lebendiges Kulturgut anerkannt wird, welches es zu erhalten und zu f?rdern gilt.

Müssen wir auf die deutsche Sprache Stolz sein?

Nein. Wir sollten erkennen, dass unsere Sprache eine sehr gro?e Rolle in Schulleben, Ausbildung, Berufsfindung, unserem ganzen Leben spielt. Die Stiftung Deutsche Sprache setzt sich daher auch für die F?rderung des Deutschunterrichts ein. Mit Aktionen wie ?Lebendiges Deutsch“ kann dieses Thema der ?ffentlichkeit n?her gebracht werden. Den Zuspruch der Menschen beweist die Tatsache, dass unsere Aktion in gut einem Jahr 50.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer gewann. Obwohl die gefundenen deutschen Begriffe nicht sofort in den allgemeinen Sprachgebrauch übergehen k?nnen, bin ich sehr zuversichtlich, dass die Leute irgendwann wirklich einen Klapprechner anstatt des Laptops gebrauchen.

Das Interview führte G?tz Frittrang.