Dietrich Bonhoeffer, der Namensgeber der Forschungsstelle, war Theologe und im Widerstand gegen die Nationalsozialisten t?tig.

Heinrich Bedford-Strohm bei der Pr?sentation der Buchreihe "?ffentliche Theologie".

Die vollbesetzte AULA bei der Er?ffnung der Forschungsstelle 2008.

- Stefan Zinsmeister

"Public theology: It's very timely!"

?ber die Aktualit?t und Internationalit?t der Dietrich-Bonhoeffer-Forschungsstelle für ?ffentliche Theologie

Seit ihrer Gründung im Jahr 2008 geh?rt die Dietrich-Bonhoeffer-Forschungsstelle zur internationalen theologischen Szene. Was sie in diesem Gebiet leistet und welche Bedeutung sie dadurch für die Universit?t Bamberg gewinnt, erl?utert ihr Leiter Heinrich Bedford-Strohm.

?Der Drang nach Erkenntnis ist einer der Motoren wissenschaftlicher Forschung. Ethische Motivationen sind aber genauso wichtig. Die weltweite Armut etwa ist ein absoluter Skandal. Der Versuch, Wege zu finden, dass in einer so reichen Welt nicht l?nger 25 000 Menschen pro Tag an Hunger sterben, treibt mich genauso an wie der reine Erkenntnisdrang“, erkl?rt Prof. Dr. Heinrich Bedford-Strohm, Leiter der  Dietrich-Bonhoeffer-Forschungsstelle für ?ffentliche Theologie, die Gründe für deren Einrichtung. Im internationalen Kontext spricht man von Public Theology. Dabei ist der Blick auf die gesamte Welt, theologisch gesprochen auf die Oikumene, sowohl Proprium als auch Programm. Proprium deshalb, weil es zum Selbstverst?ndnis der Forschungsstelle geh?rt, sich im weltweiten Rahmen mit ?ffentlichen Themen, d.h. konkret mit ethischen Orientierungsfragen aus der Sicht der (evangelischen) Theologie zu besch?ftigen. ?Bei Fragen der sozialen Gerechtigkeit in der Wirtschaft, der Friedensethik oder auch der Bioethik ist die internationale Dimension Kernbestandteil“, betont der Leiter der Forschungsstelle und führt weiter aus: ?Theologie als Rede von Gott ist keine Rede von einem deutschen, einem südafrikanischen oder einem amerikanischen Gott. Er wird als Gott der ganzen Welt verstanden. Von daher wird deutlich, dass Theologie im Kern international angelegt sein muss.“

Weltweite Vernetzung an der Basis

In der modernen internationalen Medienwelt ist der Generalsekret?r des Weltkirchenrats im Gegensatz zum Papst kaum pr?sent. Diese Diagnose darf nach Meinung des Bamberger Systematischen Theologen aber nicht zu einer falschen Hierarchisierung führen: ?Aus evangelischer Sicht ist das vielmehr Ansporn, das Priestertum aller Gl?ubigen ernst zu nehmen. Das hei?t ganz konkret, sich weltweit an der Basis zu vernetzen, zu versuchen, in die Gesellschaft hineinzuwirken, von allen Ecken der Welt her, nahe am Menschen und in direkten kommunikativen Prozessen.“

Verbindlichkeit gewinnen kirchliche Dokumente zu sozialethischen Fragen daher nicht durch die Autorit?t von oben, sondern durch die kommunikativen Prozesse, die dahinter stehen. ?ffentliche Theologie versucht, einen Beitrag zu diesen kommunikativen Prozessen zu leisten, indem sie die entsprechenden Fragen in einem interdisziplin?ren Kontext kritisch reflektiert. Ohne diese wissenschaftliche Beratung ist die Gefahr gro?, dass kirchliche Dokumente zwar intensive moralische Forderungen stellen, die Komplexit?t der Sachverhalte aber nicht klar genug erfassen.

Dialog zwischen Norden und Süden

Bedford-Strohm verweist auf die intensive Diskussion um das weltweit bekannt gewordene Dokument ?Bund für wirtschaftliche und ?kologische Gerechtigkeit“ aus dem Jahr 2004 der Weltkonferenz des Reformierten Weltbundes in Accra, das die ?neoliberale Globalisierung“ scharf kritisiert. In Deutschland traf diese Schrift auf viel Kritik, in Südafrika dagegen wurde ihr Inhalt in wichtigen Zeitungen auf ganzen Seiten zustimmend thematisiert. Hier einen wirklichen Dialog zwischen den Stimmen des Nordens und des Südens in Gang zu kriegen, sei, so Bedford-Strohm, eine wichtige Aufgabe ?ffentlicher Theologie.

Dokumente der evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), wie die ?Armutsdenkschrift“ aus dem Jahr 2006, die man als eine Art angewandte ?ffentliche Theologie bezeichnen kann und die Bedford-Strohm mitverfasst hat, finden nicht nur in der deutschen politischen Landschaft Geh?r, sondern werden auch im Ausland studiert. ?In Princeton“, so verdeutlicht Bedford-Strohm, ?bei der Gründungskonferenz des Global Network for Public Theology im Jahr 2007 sprach mich Professor James Haire aus Canberra auf die Armutsdenkschrift an. Er hatte sie in Australien auf Englisch gelesen.“

Bambergs ?ffentliche Theologie ist weltweit bekannt

Das Global Network for Public Theology ist die Dachorganisation aller Forschungseinrichtungen, die sich weltweit mit ?ffentlicher Theologie besch?ftigen. Durch dieses institutionalisierte Netzwerk wird es m?glich, langfristig und nachhaltig gemeinsame Forschung zu betreiben. Zu diesem Netzwerk geh?rt auch die Bamberger Dietrich-Bonhoeffer Forschungsstelle als einzige derartige Einrichtung in Deutschland. So ist beispielsweise diesen Sommer eine gro?e Konferenz in Canberra geplant, zu der auch Mitarbeiter der Forschungsstelle reisen werden. Forschungsaufenthalte und Gastdozenturen erm?glichen den pers?nlichen Austausch.

Kürzlich wurde Bedford-Strohm ins brasilianische Sao Leopoldo eingeladen, um dort Vorlesungen zur Public Theology zu halten und damit die im Rahmen des globalen Netzwerks schon gewachsenen 188bet亚洲体育备用_188体育平台-投注*官网e vertiefen zu k?nnen. Seit 2009 ist er auch au?erordentlicher Professor an der Theologischen Fakult?t der Universit?t Stellenbosch in Südafrika, wo er gerade ein Forschungssemester verbracht hat. Die Bamberger Mitarbeiter Dr. Eva Harasta und Dr. Dr. habil. Daniel Munteanu haben durch Vortr?ge u.a. in Südafrika, Taiwan, Australien, den USA, Rum?nien, Norwegen und Finnland mit dazu beigetragen, dass die Bamberger ?ffentliche Theologie weltweit beachtet wird.

Internationale Konferenz im Jahr 2011

Bamberg ist dadurch zum Anziehungspunkt für ausl?ndische Wissenschaftler geworden, die sich mit Public Theology besch?ftigen. Für Juni 2011 hat Bedford-Strohm zu einer internationalen Konferenz mit dem Thema ?Contextuality and Intercontextuality in Public Theology“ nach Bamberg eingeladen. Die führenden K?pfe des Global Network for Public Theology aus Canberra, Stellenbosch, Port Elizabeth, Sao Leopoldo und Princeton haben alle zugesagt. ?Die Zusagequote bei den Referentenanfragen ist 100%“, sagt Bedford-Strohm. Dass die Bonhoeffer-Forschungstelle zu einem internationalen Anlaufpunkt geworden ist, zeigt auch der fest angepeilte Forschungsaufenthalt des Humboldt-Stipendiaten Prof. Piet Naudé, Direktor der Business School der Nelson-Mandela-University of Port Elizabeth, der im Dezember und Januar  2010/11 nach Bamberg kommen will, um über die ethischen Dimensionen der Globalisierung zu forschen.

Mehrere internationale Doktoranden und ein Post-Doktorand haben schon in den letzten Jahren in Bamberg für einige Zeit zu Themen ?ffentlicher Theologie geforscht. Auch aus dem deutschen Sprachraum kommen Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, um im Bamberger Kolloquium ihre Arbeiten zur ?ffentlichen Theologie vorzustellen.

Neuer Masterstudiengang ?Public Theology“

Die Bamberger Studierenden k?nnen ebenfalls von der internationalen Vernetzung der Bonhoeffer-Forschungsstelle profitieren. Zum einen durch die Lehrinhalte, die Bedford-Strohm im Ausland entwickelt und in Bamberg pr?sentieren kann, zum anderen soll es ab dem Wintersemester 2010/11 einen neuen Masterstudiengang ?Public Theology“ geben. Dabei sind l?ngerfristig auch Blockseminare im Ausland, etwa in Südafrika zum Thema Globalisierung, angestrebt. Dieser neue Studiengang wird neben Bedford-Strohms Lehrstuhl für Systematische Theologie vom Lehrstuhl für Politikwissenschaften, namentlich Prof. Dr. Reinhard Zintl, und dem Lehrstuhl für Philosophie von Prof. Dr. Christian Illies institutionell verantwortet. Auf diese Weise wird ein multiperspektivischer Zugang erm?glicht. Für die n?here Zukunft wird von den drei Lehrstühlen als von der Philosophie koordiniertes Pendant ein Masterprogramm in ?Public Ethics“ vorbereitet.

?Public theology: It?s very timely!“ sagt Bedford-Strohm. Und dies scheint zu stimmen. Ob im Inland oder im Ausland – Public Theology trifft offensichtlich einen Nerv der Zeit: ?Wenn von Public Theology die Rede ist, h?ren die Leute gespannt zu und fragen hinterher, ?wie k?nnen wir das weiter treiben?’,“. In ethischen Orientierungsfragen, die ?ffentlich diskutiert werden, sind die Kirchen gefragt, sich kompetent zu ?u?ern. In vielen L?ndern suchen sie noch nach ihrer Rolle in der demokratischen Zivilgesellschaft. Public Theology kann ihnen dabei helfen. Dabei spielt die ?Bilingualit?t“ eine besondere Rolle. Die Kirche muss sowohl die religi?se Sprache als auch die s?kulare Sprache der pluralistischen Gesellschaft beherrschen. ?Genau das ist auch notwendig, damit, wie Jürgen Habermas es immer wieder betont, eine jede religi?se Community ihre Sinn- und Deutungsangebote in einer allgemein verst?ndlichen Sprache in die s?kulare Gesellschaft einbringen kann.“

?ffentliche Theologie als Grundorientierung für Politik

Au?erdem darf ?ffentliche Theologie sich nicht in Fundamentalopposition ersch?pfen, sondern muss der Politik Grundorientierungen geben, die im politischen Alltag auch wirklich hilfreich sein k?nnen. Insofern steckt ein Element der Politikberatung im Paradigma der ?ffentlichen Theologie.

Für Heinrich Bedford-Strohm ist die Internationalit?t der Bonhoeffer Forschungsstelle auch pers?nlich eine gro?e Bereicherung: ?Es gibt schlicht und einfach nichts Beglückenderes, als diese internationalen 188bet亚洲体育备用_188体育平台-投注*官网e. Sie ?ffnen den Horizont, jede Begegnung ist nicht nur intellektuell spannend, weil ich andere Denkweisen kennen lerne, auch der ganz pers?nliche Austausch ist ungeheuer bereichernd.“