Profil

Pers?nlichkeit in sozialen Interaktionen: Von der Grundlagenforschung mit Testentwicklung und Videoanalyse bis zur Anwendung von Erkenntnissen in Coaching und Training

Schwerpunkte am Lehrstuhl für Pers?nlichkeitspsychologie sind einerseits die Erforschung der Vielfalt von Pers?nlichkeit im Hinblick auf soziale Interaktionen und andererseits die Entwicklung entsprechender Test- und Befragungsinstrumente. Die Ergebnisse werden in Praxisprojekten des Kompetenzzentrums für Angewandte Personalpsychologie genutzt, das an den Lehrstuhl angegliedert ist.

Testentwicklung und computerbasierte Messungen

Methodisch orientierte Grundlagenforschung erfolgt im Bereich der Testkonstruktion und -entwicklung. Die Arbeitsgruppe entwickelt Frageb?gen und psychometrische Tests sowie computergestützte Verfahren auf der Basis von Reaktionszeiten und setzt unter anderem Selbst- und Fremdeinsch?tzungen in Bezug zu objektiven Leistungen, z.B. im beruflichen Alltag. Auf diese Weise ist es m?glich, Formen der Selbstüber- sowie Selbstuntersch?tzung zu identifizieren, die jeweils mit typischen Problemen verbunden sind (vgl. Vater et al., 2013; Leising et al., 2013).

Videogestützte Aufzeichnung und Analyse von Interaktionen

In einem eigens eingerichteten Interaktionslabor werden Teamdiskussionen, Paarinteraktionen und andere Gespr?chssituationen per Videoanalyse erforscht. Kernstück des Videolabors ist ein Interaktionsraum, der mit Decken- und Tischkameras ausgestattet ist, um damit dem komplexen Gefüge von sozialen Interaktionen gerecht zu werden (z.B. Rentzsch, Schr?der-Abé & Schütz, 2013). Verbunden durch eine Einwegscheibe ist nebenan ein Steuerraum für die Aufnahmetechnik, in dem Versuchsleitung und Studierende (selbstverst?ndlich mit Einverst?ndnis der beobachteten Personen) die Szenerie im Interaktionsraum mittels eines Kategoriensystems auswerten k?nnen. Eine Besonderheit sind die sogenannten Fingerkameras, die z.B. in einer Diskussionsrunde von den einzelnen Teilnehmenden Bilder erstellen, welche anschlie?end für die Auswertung synchronisiert werden. Ebenso erlaubt das Videosystem die Zuspielung physiologischer Messungen, sodass neben Mimik z.B. die Herzrate in Stresssituationen ausgewertet werden kann. Auf diese Weise werden soziale Beziehungen differenziert analysiert und aufbauend auf bisherigen Studien neben Selbst- und Fremdeinsch?tzungen auch nonverbale Signale berücksichtigt (Lopes et al., 2011; Jacob et al., 2012). Als FNK Vorbereitungsprojekt startete unl?ngst ?Neid als State und Trait“ (Projektleitung Katrin Rentzsch), bei dem jeweils zwei Personen im Labor miteinander interagieren (vgl. Abbildung).

Emotionsarbeit in Belastungsbew?ltigung, Dienstleistung und Personalführung

Ein weiterer Forschungsschwerpunkt am Lehrstuhl ist Emotionale Kompetenz. Diese ist unter anderem gekennzeichnet durch die F?higkeit, eigene und fremde Emotionen differenziert wahrnehmen sowie regulieren zu k?nnen (z.B. ?rgerbew?ltigung bei sich selbst oder beim Gegenüber). Nach der Ver?ffentlichung des ersten deutschsprachigen Tests zur Messung emotionaler Kompetenzen (MSCEIT, Steinmayr, Schütz, Hertel, & Schr?der-Abé, 2011) wird am Lehrstuhl nun die Bedeutung des Konzepts für soziale Interaktionen und beruflichen Erfolg untersucht.

Neben Forschung zur Burn-out-Gef?hrdung von Lehrkr?ften und Projekten mit Polizei und Bundeswehr wird derzeit die Bedeutung Emotionaler Kompetenz für Personen im Dienstleistungsbereich und Führungskr?fte gemeinsam mit einem gro?en deutschen Luftfahrtunternehmen sowie einer ?sterreichischen Bank untersucht. Erste Befunde deuten darauf hin, dass die F?higkeiten zur Emotionswahrnehmung und -regulation Schlüsselfunktionen bei der Bew?ltigung beruflicher Belastungen einnehmen.

Basierend auf den Erkenntnissen wurde ein Training zur F?rderungen Emotionaler Kompetenzen entwickelt, das darauf abzielt, die F?higkeit zur Emotionswahrnehmung und -regulation zu verbessern. Das Training wurde mit Studierenden der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Universit?t Bamberg evaluiert und wird nun für "Emotionsarbeiter", wie Lehrkr?fte, Personen im Dienstleistungssektor und Führungskr?fte weiterentwickelt.

Anwendung in Training und Coaching

Die Brücke zur Praxis schl?gt das Kompetenzzentrum für Angewandte Personalpsychologie (KAP), das an den Lehrstuhl angegliedert ist und für Einzelne sowie Organisationen Unterstützung in den Bereichen der Potenzialerkennung, Personal- und Organisationsentwicklung bietet. Für Studierende ist dort im Rahmen von Praxiskooperationen der Einblick in verschiedene Projekte und Arbeitsfelder angewandter Wissenschaft m?glich. Durchgeführt werden passgenaue Entwicklungsma?nahmen wie Trainings zu Work-Life-Balance, Konfliktbew?ltigung, Gespr?chsführung, Kreativit?t und Innovation sowie effektiver Führung. Auch die dafür n?tige Diagnostik von Organisationen und Bedarfsanalysengeh?ren zum Leistungsspektrum des KAP. Zu den Nutzern z?hlen beispielsweise NAF und Thieme. Durch stetige Evaluation werden diese Ma?nahmen fortlaufend weiterentwickelt. In der einzelfallorientierten Arbeit wird der Bamberger Coachingansatz vertreten, der basierend auf dem Pers?nlichkeitscoaching nach Riedelbauch und Laux (2011) l?sungs- und ressourcenorientiert berufliche Optimierungsziele unterstützt.

Innovationsf?higkeit im demografischen Wandel

Die Verbindung von Forschung und Anwendung ist auch Grundlage eines vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gef?rderten und vom Europ?ischen Sozialfonds co-finanzierten transdisziplin?ren Verbundprojekts. WiIPOD (Wertsch?tzungsnetzwerke als integrierte Innovationsinstrumente der Personal- und Organisationsentwicklung im Demografischen Wandel) widmet sich seit 2011 den Herausforderungen, die sich für Unternehmen durch den demografischen Wandel ergeben.

Statt der klassischen Innovatoren aus Entwicklungsabteilungen arbeiten im Projekt Personen, die sich an der Grenze des Unternehmens befinden (Auszubildende, junge Eltern und in den Ruhestand Ausscheidende; die als "Grenzinnovatoren" betrachtet werden) in moderierten Innovationszirkeln zusammen. Mit ihrem unterschiedlichen Erfahrungshintergrund und jeweiligen Lebenssituationen bilden die Grenzinnovatoren eine sogenannte Hot Group, in der die sich aus dieser Diversit?t ergebenden Ressourcen genutzt werden k?nnen. Ziel ist es, an konkreten Problemstellungen zu arbeiten, die für die Innovationskraft des Unternehmens von Bedeutung sind. Bei der Siemens AG, der Festo AG & Co. KG und der Habermaa? GmbH konnten bereits wertvolle umsetzbare Ideen erarbeitet werden.

Die genannten Beispiele illustrieren die Ausrichtung des Lehrstuhls: von der Pers?nlichkeit des Einzelnen bis hin zur sozialen Interaktion. Dabei umfassen die Aktivit?ten nicht nur von St?reinflüssen weitgehend isolierte Laborstudien, sondern auch wissenschaftliche Untersuchungen der Unternehmenspraxis unter Einsatz quantitativer sowie qualitativer Forschungsans?tze, aus denen alltagstaugliche Ma?nahmen abgeleitet werden.