Was Schrift vermittelt. Text-Bild-Verh?ltnisse in islamischen Kulturen der frühen Neuzeit
Das Projekt
Die Spannung zwischen dem religi?s begründeten "Bilderverbot" und dem vielseitigen Umgang mit figürlichen Darstellungen im weltlichen Bereich islamischer Kulturen hat in jüngster Zeit Untersuchungen angeregt, die verschiedene Aspekte und Charakteristika islamischer Bildkunst behandeln. Dafür stellen pictorial turn, visual culture und Bildwissenschaft potenziell wichtige theoretische Rahmenbedingungen dar. Ein erweiterter Bildbegriff sollte Teil dieser Diskussion sein; gleichwohl ist Kalligraphie in diesem Kontext noch weitgehend unberücksichtigt geblieben. Mit dem hier vorliegenden Forschungsvorhaben soll der hybride Charakter islamischer Kalligraphie zwischen Bild und Text erkundet werden. Es nimmt zwei inhaltlich und methodisch verschiedene Aspekte ins Visier und legt einen Schwerpunkt auf die frühe Neuzeit.
Teilprojekt a) Literarische Aushandlung religi?ser Normativit?t
Das erste Teilprojekt untersucht, wie religi?se Normativit?t literarisch ausgehandelt und künstlerisch ausgeformt wurde. Es behandelt das ?sthetische und ethische Potenzial, das muslimische Autoren, und damit auch Kalligraphen, der Schriftkunst zuschrieben. Arabische und persische Quellen des 14.-16. Jahrhunderts, insbesondere kalligraphische Handbücher und Alben sowie Biographien von Kalligraphen, k?nnen über das Denken von Künstlern und Auftraggebern ebenso Auskunft geben wie über religi?se Konzepte, vor deren Hintergrund sich die Kalligraphie entwickelte.
Teilprojekt b) Die ?ilye: Künstlerische Ausformung religi?ser Normativit?t?
Für das zweite Teilprojekt geht es darum, die Gattung der hilye-Einzelblattgrafiken als charakteristisches Produkt osmanischer Kalligraphie (und Fr?mmigkeit) des sp?ten 17. Jahrhunderts zu erkl?ren. Eine Untersuchung verschiedener hilyes sowie weiterer Text- und Bildquellen soll Fragen von Norm und Abweichung, den Pr?ferenzen in der textlichen und formalen Entwicklung der hilye ebenso ansprechen wie den soziokulturellen Kontext, in dem sich Entwicklung und Gebrauch der hilye vollzogen.
Ein Beitrag zur Geschichte des Blicks in islamischen Kulturen der frühen Neuzeit
In beide Teilprojekte flie?en umfangreiche Vorarbeiten auf verschiedenen Gebieten der islamischen Kunstgeschichte ein. W?hrend Gegenstand, Material und Methoden der Teilprojekte sich komplement?r erg?nzen, behandeln beide gleicherma?en Fragen zur Ikonizit?t der Kalligraphie und ihres graphischen Arrangements und zu der Art und Weise, wie mit religi?s motivierten Aussagen zur Kunst umgegangen wurde; die Verankerung in einer bestimmten Epoche kann einen Beitrag zu der Frage leisten, inwiefern bestimmte Ph?nomene als charakteristisch für islamische Kulturen allgemein gelten k?nnen oder ob sie an bestimmte Epochen gebunden sind. Die Frage des individuellen Beitrags der Künstler wird im Hinblick auf den theoretischen Diskurs berührt, aber auch anhand von Beispielen von Innovationen in der Entwicklung der hilye. Insgesamt soll die Untersuchung der kalligraphischen Werke und der Literatur zur Kalligraphie eine Lücke in der Kenntnis islamischer visueller Kultur schlie?en und einen Beitrag zur Geschichte des Blicks im Osmanischen Reich und in benachbarten islamischen Kulturen der frühen Neuzeit leisten.
Eine internationale Tagung fand vom 10. bis 12. Oktober 2019 an der Universit?t Bamberg unter dem Titel "Writing as Intermediary Text-Image Relations in Early Modern Islamic Cultures, Islamic Art and Archaeology" statt.