Gastvortrag Prof. Dr. Isabel Hernández (Universidad Complutense de Madrid)
?Verdades y mentiras de una leyenda medieval: La Judía de Toledo?
Bamberger Vortr?ge zu Iberian Studies
Bamberg, am Dienstag, den 30. Juni 2015
Isabel Hernández ist Professorin für Deutsche Literatur an der Complutense-Universit?t in Madrid und leitet dort als Direktorin des Instituts für Moderne Sprachen den Master in Literarischer ?bersetzung. Frau Hernández z?hlt zu den Mitherausgeber*innen des Ibero-amerikanischen Jahrbuches für Germanistik und ist Herausgeberin der Revista de Filología Alemana y Estudios de Traducción [Zeitschrift für Deutsche Philologie und ?bersetzungsstudien]. In Bamberg spricht die Spanierin über die mittelalterliche Legende von K?nig Alfonso VIII. und seiner jüdischen Geliebten.
Vor dem historischen Hintergrund der sogenannten reconquista, der Rückeroberung Spaniens, entstand die berühmte Geschichte über La Judía de Toledo (Die Jüdin von Toledo), die fest im spanischen und internationalen Literaturkanon verankert ist. Die Legende gründet auf der Biographie von Alfonso VIII., der von 1158 bis 1214 als K?nig von Kastilien regierte. Im Laufe der Jahrhunderte erfuhr die Geschichte unz?hlige ?nderungen und wurde stets im Sinne verschiedener politischer und religi?ser Interessen modifiziert.
Die Legende besagt, dass Alfonso w?hrend der Jagd einen Pfeil in den Garten einer Jüdin schoss. Als er diesen holen wollte und die Jüdin erblickte, verliebte er sich augenblicklich. Obwohl K?nig Alfonso mit Leonor Plantagenet verheiratet war, begann er eine Liebschaft mit der Jüdin und holte diese nach einiger Zeit sogar in seinen Palast, um mit ihr zusammenzuleben. Damit wandte er sich gegen die Moralvorstellungen der katholischen Kirche; zudem begann er sein Amt als K?nig zu vernachl?ssigen und Konflikte lie?en nicht lange auf sich warten. In der Bev?lkerung wuchs der ?rger über die zunehmenden politischen Fehlentscheidungen des K?nigs. Die Niederlage in der Schlacht von Alarcos (19. Juli 1195) wurde umgedeutet als Strafe Gottes für das sündhafte Leben des K?nigs. Nachdem die Liaison mit der Jüdin bereits sieben Jahre andauerte, lie? Leonor Plantagenet die Geliebte des K?nigs erdolchen und wurde daraufhin von ihrem Mann ins Exil geschickt. Manche Versionen erz?hlen, dass die Jüdin K?nig Alfonso verzaubert habe und ihn so an sich binden konnte. In weiteren Geschichten bekam die mittelalterliche Legende biblische Konnotationen und die Jüdin erhielt den Namen Raquel. Teuflisch, ambitioniert und wundersch?n waren einige der Eigenschaften, mit denen die sagenumwobene Figur charakterisiert wurde.
Hier l?sst sich bereits abzeichnen, dass fiktionale und faktische Elemente der Legende nur schwer zu trennen sind, weshalb Frau Hernández ihrem Vortrag bewusst den Titel ?Verdades y mentiras de una leyenda medieval? [?Wahrheiten und Lügen einer mittelalterlichen Legende?] gab. Im weiteren Verlauf ging die Professorin dezidiert auf eine der ?ltesten Versionen ein, Lope de Vegas Schrift Las paces de los reyes y judía de Toledo (1612), und spannte den Bogen zum deutschen Drama, Franz Grillparzers Die Jüdin von Toledo (entstanden um 1851, uraufgeführt 1872 in Prag), und Lion Feuchtwangers Roman, der diesen zun?chst Spanische Ballade (1955) nannte und sich kurz darauf ebenfalls für die klassische Variante Die Jüdin von Toledo entschied.
In der an den Vortrag anschlie?enden Diskussion wurde sowohl auf die lange Tradition des literarischen Themas eingegangen, als auch durch den Altphilologen Prof. Dr. Marco Coronel die historischen Gegebenheiten und politische Instrumentalisierung der Legende im sp?ten Mittelalter und der frühen Neuzeit erl?utert. Die Liebesgeschichte des kastilischen K?nigs und seiner Jüdin bot in den letzten Jahrhunderten geeigneten Stoff für unz?hlige Dramen und Romane, die über den franz?sischen Sprachraum auch in den deutschen Kanon aufgenommen wurden. Der fortlaufende Ausbau der Romanze von einer Fu?note in einer Chronik im 12. Jahrhundert hin zu einer sieben Jahre dauernden Liebschaft, durch die das kastilische K?nigreich als Strafe Gottes durch die Mauren in Schutt und Asche gelegt wurde, zeigt, dass diese Legende eine passende Projektionsfl?che für unterschiedliche politische und religi?se Interessen und Ideologien bot.
Die Bamberger Vortr?ge zu Iberian Studies dienen auch der 188bet亚洲体育备用_188体育平台-投注*官网pflege mit der Complutense-Universit?t Madrid, mit der die Universit?t Bamberg seit über 20 Jahren einen Austausch von Spanisch- und Deutschlektoren pflegt. Prof. Dr. Isabel Hernández ist in dieses Austauschprojekt involviert und nutzte ihren Aufenthalt in Bamberg gerne, um über eines ihrer aktuellen Forschungsprojekte, la Judía de Toledo, zu referieren.
(von Sophie Obinger, Juli 2015)