Neuzugang in den Restaurierungswissenschaften
So schlie?t sich der Kreis: Zuerst war Dr. Paul Bellendorf Student und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universit?t Bamberg, dann arbeitete er am Fraunhofer-Institut für Silicatforschung in Würzburg, zuletzt bei der Deutschen Bundesstiftung Umwelt in Osnabrück. Seit dem 1. Oktober 2018 ist er wieder an der Otto-Friedrich-Universit?t t?tig, nun als Professor für Restaurierungswissenschaft in der Baudenkmalpflege. Mit der vorgezogenen Besetzung der Professur entlastet die Universit?tsleitung Prof. Dr. Rainer Drewello, damit er sich auf den Aufbau des Kompetenzzentrums für Denkmalwissenschaften und Denkmaltechnologien (KDWT) konzentrieren kann.
Professor Bellendorf, was m?chten Sie in den kommenden Jahren erforschen?
Paul Bellendorf: In erster Linie werde ich mich mit historischen Werkstoffen besch?ftigen, auch anknüpfend an meine Doktorarbeit. Damals habe ich die Zusammensetzung metallener Grabplatten aus dem 15. bis 18. Jahrhundert aus Franken und Thüringen untersucht, die sich im Laufe der Zeit charakteristisch ver?nderten. Anhand der Materialzusammensetzung kann man Rückschlüsse ziehen, aus welcher Zeit sie stammen. Das KDWT bietet mit seiner umfangreichen apparativen Ausstattung für solche und ?hnliche Fragestellungen eine sehr gute Basis. Neben dem besseren materialtechnischen Verst?ndnis von Kunstwerken geht es aber auch um ehemalige Alltagsware, die heute Teil eines Denkmals ist. Eine der aktuellen Fragestellung des KDWT ist daher beispielsweise, aus welchen Materialien Fenster aus einer bestimmten Zeit bestehen. K?nnen wir Schemata entwickeln, um Fenster zeitlich einzuordnen?
Warum ist es wichtig, die Materialbestandteile zu kennen?
Dieses Wissen hilft uns, Kunst- und Kulturgut zu erhalten, was nur durch eine ganzheitliche Betrachtung der Objekte gelingen kann. Entscheidend sind auch die Umgebungsbedingungen der historischen Materialien: In Museen gibt es immer wieder Schwankungen des Klimas, die schlecht für die historische Ausstattung sind. Um ein konstantes Klima zu erhalten, muss man das Museum heizen oder klimatisieren, be- oder entfeuchten. Das kostet sehr viel Energie. Deswegen m?chte ich herausfinden, welche Materialien welche Klimaschwankungen vertragen, also: Welche Schwankungen h?lt ein Gem?lde aus, bevor sich Malschichten abl?sen? Die Informationen helfen Museen dann, ein geeignetes Umgebungsklima festzulegen und dadurch Energie zu sparen. Diese Forschungen überschneiden sich mit der Pr?ventiven Konservierung und lassen sich auch auf das Denkmal übertragen. Es geht darum, vorbeugende Ma?nahmen für Denkm?ler einzuführen, sodass Sch?den gar nicht erst entstehen. Gro?e Bauma?nahmen zum Erhalt von Denkm?lern w?ren im Idealfall nicht mehr n?tig.
Darin besteht wahrscheinlich auch ein Teil Ihres Selbstverst?ndnisses als Professor.
Ja, ich sehe meine Aufgabe vor allem darin, den Studierenden Grundlagen und weiterführendes Wissen und Know-How aus den naturwissenschaftlichen Disziplinen, insbesondere aus dem Bereich der historischen Werkstoffe zu vermitteln. Meine Erfahrungen aus den letzten Jahren haben mir gezeigt, dass wir nur durch eine verst?rkte interdisziplin?re Denk- und Arbeitsweise in der Lage sind, die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts im Bereich des Kunst- und Kulturguterhalts zu meistern. So k?nnen wir denkmalgerechte L?sungen für den Erhalt des materiellen Erbes erarbeiten. Mein Bestreben wird es daher sein, Studierenden dieses Wissen zu vermitteln und im Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen interdisziplin?re Projekte rund um den Erhalt des Kulturgutes durchzuführen.
Was lernen die Studierenden konkret von Ihnen?
Die Studierenden werden lernen, genau hinzusehen und das Gesehene zu verstehen: Aus welchen Materialien besteht ein Objekt? Wie wurde es bearbeitet? Mit welchen naturwissenschaftlichen Methoden kann ich bei Bedarf mehr über das Material erfahren? Von Denkmalpflegern und Kulturgutsicherern wird zwar nicht erwartet, dass sie alle Fragen um die Materialit?t eines Kunstwerkes selbst beantworten k?nnen; sie müssen aber in der Lage sein zu erkennen, mit welchem Material sie es zu tun haben und wen sie für weitergehende Untersuchungen hinzuziehen k?nnen und müssen.
Worauf freuen Sie sich in den n?chsten Jahren an der Universit?t Bamberg am meisten?
Auf die aktive Forschung und Lehre. W?hrend meiner T?tigkeit bei der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) habe ich Forschungsantr?ge weiterqualifiziert und bewilligte Projekte bei Projekttreffen mit Fachwissen der Denkmalpflege und des Kulturgüterschutzes beraten. Allerdings habe ich keine Forschungsprojekte selbst initiiert und weiterentwickelt. Das liegt daran, dass die DBU keine operative Stiftung ist, also keine eigenen Forschungen durchführt, sondern externe Projekte begleitet. Au?erdem freue ich mich darauf, dass ich jetzt nicht mehr nur einzelne, thematisch fokussierte Lehrauftr?ge übernehme, sondern komplette Vorlesungen im Bereich der Restaurierungswissenschaft habe, um das Thema als Ganzes an die Studierenden vermitteln zu dürfen.
Weitere Informationen über Paul Bellendorf finden Sie auf der Webseite der Restaurierungswissenschaft in der Baudenkmalpflege.