Sprachmeister. Sozial- und Kulturgeschichte eines prek?ren Berufsstandes; Kolloquium der Matthias-Kramer-Gesellschaft für die Erforschung der Geschichte des Fremdsprachenerwerbs und der Mehrsprachigkeit und der Universit?t Bamberg, 10.-12. Juli 2014
Das Kolloquium ist eine Gemeinschaftsveranstaltung der neugegründeten Matthias-Kramer-Gesellschaft für die Erforschung der Geschichte des Fremdsprachenerwerbs und der Mehr?sprachigkeit und der Universit?t Bamberg. Sein Gegenstand ist die Sozial- und Kulturge?schichte eines Berufsstandes, der in Europa bis weit ins 19. Jahrhundert hinein Kenntnisse moderner Sprachen, der ?Volkssprachen“, vermittelte und verbreitete und so eine Basis für den grenzüberschreitenden Transfer von kulturellen und materiellen Gütern wurde. Diese Basis der gesamteurop?ischen Kommunikation war bis in die Neuzeit hinein das Lateinische gewesen, doch traten seit dem 15. Jahrhundert die lebenden Sprachen neben diese ?Muttersprache Europas“ und verdr?ngten sie allm?hlich.
Der Unterricht in den modernen Fremdsprachen wurde (mit wenigen Ausnahmen) erst im Laufe des 19. Jahrhunderts in die Curricula der ?ffentlichen und privaten Schulen aufgenom?men; die Ausbildung von Fremdsprachenlehrern (?Neuphilologen“) wurde akademisiert, die Neueren Sprachen wurden Unterrichtsgegenst?nde in den h?heren Schulen. Davor wurden sie entweder auf Reisen im Ausland gelernt oder von Sprachmeistern privat unterrichtet. Dieser Unterricht konnte in der Wohnung des Sprachmeisters, aber auch in der Wohnung des Schü?lers bzw. der Schülerin stattfinden. H?ufig mussten die Sprachmeister neben dem Sprach?unter?richt anderen Gewerben nachgehen: Unterricht im Tanzen, Fechten, Rechnen und Briefeschreiben spielen dabei eine Rolle.
An den deutschen Universit?ten sind seit dem 16. Jahrhundert Sprachmeister für moderne Sprachen nachweisbar, doch besa?en sie in der Regel nicht den Status (und die Privilegien) von Professoren. Festanstellungen waren selten. ?Freie“ wie universit?re Sprachmeister mussten ihren Lebensunterhalt durch Privatstunden und den Verkauf von Lehrmaterial bestreiten. Im 15. und 16. Jahrhundert stand das Italienische, im 17. und 18. Jahrhundert das Franz?sische im Zentrum; das Englische spielt seit etwa 1750 eine Rolle; andere Sprachen wurden selten gelehrt.
Eine geregelte Ausbildung zum Sprachmeister gab es nicht. Im deutschen Sprachraum sind zwei Haupttypen von Sprachmeistern zu unterscheiden:
- Deutsche mit akademischer Ausbildung (nicht unbedingt abgeschlossen) und Auslandserfahrung. Als ?Hofmeister“ begleiteten viele von ihnen jugendliche Adeliger auf der Kavaliertour nach Frankreich und Italien, seltener nach Spanien oder England. Sie besa?en zwar Vorstellungen von der Grammatik der Zielsprache, brachten aber keine muttersprachliche Sprachbeherrschung mit.
- Muttersprachler unterschiedlichen Bildungsstandes (vom verabschiedeten Soldaten bis zum gewesenen Priester) ohne philologische Kenntnisse, weiterhin Gouvernanten und ?Hausfranz?sinnen“, die adlige und bürgerliche M?dchen unterrichteten.
Die Sprachmeister erfüllten eine soziale Funktion: sie sicherten in der frühneuzeitlichen St?dten und Residenzen den Bedarf an fremdsprachenkundigen Personen. Sie lieferten auch einen nicht zu untersch?tzenden Beitrag zur Gewinnung und Akkumulation von linguistischem und sprachdidaktischem Wissen, denn von ihnen stammen viele vormo?derne grammatische Beschreibungen lebender Sprachen und zwei- und mehrsprachige W?rterbücher. Diese (mit abwertendem Unterton) ?Sprachmeistergrammatiken“ genann?ten Werke wurden bislang als Quellen für die Fachgeschichte der einzelnen Philologien und der Sprachvergleichung, aber auch der Sozial- und Kulturgeschichte kaum genutzt.
Das Kolloquium soll interdisziplin?r mit internationalen Referenten die ?Vorgeschichte“ des schulischen Unterrichts in den modernen Fremdsprachen und seiner Tr?ger, der Sprach?meister, aufarbeiten. Es soll die prek?re Lebenslage dieser Gruppe, ihre sozialen Umfelder, ihre materielle Situation, ihre Qualifikationen, ihre Beitr?ge zur Sprachforschung und zur Lexikographie beleuchten. Es soll herausarbeiten, welche sozialen Gruppen ihre Dienste in Anspruch nahmen vom Hochadel bis in die niederen St?nde (z. B. Speditionsarbeiter, Sol?daten). Es soll kl?ren, welche Sprachen im deutschen Sprachraum kaum oder gar nicht ge?lehrt wurden, weil man im korrespondierenden Sprachraum mit dem Deutschen ?durchkam“, was impliziert, dass dort Sprachmeister wirkten, die das Deutschen unterrichteten.
Donnerstag, 10. Juli
16.00 Uhr Begrü?ung
Vizepr?sidentin für Forschung der Universit?t Bamberg Prof. Dr. Astrid Schütz
Dekanat der Fakult?t für 188bet亚洲体育备用_188体育平台-投注*官网 Kulturwissenschaften der Universit?t Bamberg
Prof. Dr. Mark H?berlein / Prof. Dr. Helmut Glück
16.30 Uhr Einführung in das Tagungsthema
Prof. Dr. Helmut Glück / Prof. Dr. Mark H?berlein
17.00 Uhr Dr. Renata Budziak (Rzeszów)
Ich mit Warheit sagen kan, das ich diese ganzte funff Jahr bei Diesem Dienst nicht ein einiges Kleidlein auf mein Leib gezeuget habe – Existenzsorgen von Sprachmeistern in Polen in der frühen Neuzeit
17.45 Uhr Prof. Dr. Ineta Balode (Riga)
Der Beitrag von Gotthard Friedrich Stender zur Alphabetisierung der lettischen Bauern
18.30 Uhr Abendprogramm
Freitag, 11. Juli
9.00 Uhr Dr. Karsten Rinas (Olmütz)
Kindertausch in den b?hmischen L?ndern: Vorstellung und Wertung literarischer und nicht-literarischer Quellen
9.45 Uhr Dr. Teofil Kovacs (Debrecen)
Sprachmeister am Debrecener Reformierten Kollegium
10.30 Uhr Pause
11.00 Uhr Silke Sch?ttle (Tübingen)
Exoten der akademischen Gesellschaft – Frühneuzeitliche Sprachmeister am Collegium Illustre und der Universit?t Tübingen
11.45 Uhr Dr. Manuela B?hm (Kassel)
Der ?génie de la langue‘ als Lehrkonzept? Franz?sische Sprachmeister und Sprachlehren aus dem Berliner Raum um 1800 zwischen Sprachwandel und Sprachkritik
12.30 Uhr Mittagspause
14.30 Uhr Dr. Ulrike Krampl (Tours)
Ein Italiener in Paris. Der Sprachmeister Ignace/Ignazio Palomba (ca. 1720-nach 1795) zwischen Ancien Régime und Revolution
15.15 Uhr Dr. Walter Kuhfu? (Trier)
Sprachmeister zwischen akademischer ?berfüllungskrise, politischer Immigration und staatlichem Schulunterricht (1775–1800)
16.00 Uhr Pause
16.30 Uhr Versammlung der ?Matthias-Kramer-Gesellschaft für die Erforschung der Geschichte des Fremdsprachenerwerbs und der Mehrsprachigkeit“
18.30 Uhr Abendprogramm
Samstag, 12. Juli
9.00 Uhr Prof. Dr. Barbara Kaltz (Aix-en-Provence/Freiburg)
Vom ma?tre de langues zum agrégé: Zur allm?hlichen Professionalisierung des Berufsstandes in Frankreich im 19. Jahrhundert
9.45 Uhr Prof. Dr. Susanne Lachenicht (Bayreuth)
?Arme Hauslehrer‘ und Transkulturation: das Beispiel der Hugenotten
10.30 Uhr Pause
11.00 Uhr Dr. Claudie Paye (München)
Franz?sischlehrer im K?nigreich Westphalen (1807-13)
11.45 Uhr Prof. Dr. Konrad Schr?der (Augsburg)
Karrieren von Sprachmeistern des 18. Jahrhunderts in Deutschland (Arbeitstitel)
12.30 Uhr Schlussdiskussion
13.00 Uhr Ende der Tagung