DFG Projekt M?rkte – Netzwerke – R?ume. Wirtschaftsbeziehungen und Migrationsprozesse in der Frühen Neuzeit (1500–1800)

Teilprojekt: Verflechtung von Eliten am Beispiel der Salviati und der Welser, 1494-1557. Internationale Handelsverflechtungen zwischen Gesch?ft und Macht.

Bearbeiter: Dr. Heinrich Lang

Zusammenfassung:

Am zentralen europ?ischen Messe- und Finanzstandort des 16. Jahrhunderts, in Lyon, kreuzten sich wichtige Handelswege, die eine Achse der kontinentalen Wirtschaft bildeten. Die gro?en italienischen, spanischen und oberdeutschen Handelsgesellschaften entsendeten ihre Faktoren an die Rh?ne, um dort mit Luxusgütern für die franz?sischen Adligen und die st?dtischen Eliten, mit Metallen für die Rüstungsindustrie, mit Farbstoffen für ihre boomenden Textilindustrien, mit den begehrten Waren aus der Levante und nicht zuletzt mit Wechselbriefen zu handeln. Die franz?sischen K?nige bemühten sich darum, ihre handelsrechtlichen Privilegien durch umfangreiche Darlehen vergolden zu lassen - denn ihre kriegerischen Auseinandersetzungen mit dem Kaiserhaus Habsburg verschlangen immense finanzielle Ressourcen und trieben die Krone schlie?lich in den Staatsbankrott. Die langj?hrige, ebenso vielseitige wie ungew?hnliche Kooperation der Augsburger Handelsgesellschaft der Welser, die seit den 1490er Jahren eine Niederlassung in Lyon unterhielt, und der Florentiner Bankiersfamilie Salviati, die ihre 'compagnia' an der Rh?ne 1508 er?ffneten, exemplifiziert die Bedeutung von merkantilen Netzwerken für die r?umliche Integration von M?rkten, die Verflechtung von Waren- und Kreditm?rkten sowie für kulturelle Austauschprozesse.

Projektbeschreibung:

Seit der Mitte des 15. Jahrhunderts stieg Lyon zum führenden Messestandort im europ?ischen Waren- und Geldhandel auf. Die Privilegierung des Messehandels durch die franz?sischen K?nige lockte 'merchant bankers' insbesondere aus Italien, aber auch aus Spanien und Oberdeutschland an. W?hrend der kriegerisch ausgetragenen Konflikte zwischen dem K?nigshaus Valois und den Kaisern der Habsburger sahen sich die Kaufleute an der Rh?ne wiederholt politisch bedingten Repressionen ausgesetzt, da die Handelsverbindungen nicht selten quer zu den politisch-milit?rischen Bündnissen liefen. Anders als die auf das engste mit dem deutschen Kaiser verbundenen Fugger war die Handelsgesellschaft der Welser im 16. Jahrhundert in Lyon pr?sent. Die verschiedenen in Lyon vertretenen 'nationes' konkurrierten bei der Obrigkeit um handelsrechtliche Vorzüge, wie zum Beispiel Zollerl?sse, und verhandelten immer wieder mit dem franz?sischen K?nig um hoheitliche Privilegierung.

Die Welser verkauften dort ?hnlich wie die Tucher oder Imhoff aus Nürnberg Textilprodukte und Metalle und bezogen Farbstoffe, Seidentuche, Gewürze oder Waren, die aus der Levante importiert wurden. Ihre wichtigsten Gesch?ftspartner waren Florentiner und Luccheser Kaufmannbankiers, mit denen sie phasenweise eng kooperierten: Sie konnten deren gute 188bet亚洲体育备用_188体育平台-投注*官网e zum franz?sischen K?nigshaus nutzen, um ins Gesch?ft mit Darlehen an den K?nig einzusteigen. Die florentinischen Handelsleute wiederum stellten über die Antwerpener Faktoreien der Oberdeutschen die Verbindung zu den britischen Inseln her oder erlangten den Zugriff auf die spanischen M?rkte. Die sich herausbildenden Netzwerke formten nicht nur Marktbeziehungen, sie integrierten M?rkte über r?umliche Distanzen hinweg und entwickelten sich auch zu Kan?len kulturellen Transfers.

Das Projekt knüpft an das Editionsprojekt "Oberdeutsche Handelsgesellschaften und die Errichtung der neuzeitlichen Weltwirtschaft: Dokumente zur Geschichte der Augsburger Welser-Gesellschaft aus europ?ischen Archiven (1496-1551)" an, das die Fritz-Thyssen-Stiftung zwischen Dezember 2006 und November 2008 finanziert hat. Dabei kann gezeigt werden, dass die Aktivit?ten oberdeutscher Kaufmann-Bankiers wie der Welser, Tucher, Rem oder Herwart in den Handelsdokumenten insbesondere florentinischer Firmen nachgezeichnet werden k?nnen: W?hrend sich durch Rechnungsbücher und Korrespondenzen, die die reichhaltigen Unternehmensarchive in der Toskana aufbewahren, die europ?ischen Handelswege und merkantilen Netzwerke sowie die Handelspraktiken auf den verschiedenen M?rkten darstellen lassen, kann für die erste H?lfte des 16. Jahrhunderts kaum vergleichbar konsistentes Material in deutschen Archiven nachgewiesen werden. Als Quellenbasis dienen daher vor allem das Salviati-Archiv in Pisa, Florentiner Familienarchive wie die der Naldini del Riccio oder Bartolini-Salimbeni, aber auch unterschiedliche Best?nde im Florentiner Staatsarchiv oder der Biblioteca Nazionale Centrale in Florenz.

Vier Perspektiven werden im Zuge der Forschungen eingenommen:

Erstens stehen im Zentrum des Teilprojektes verschiedene Aspekte der Verflechtung von Eliten am Beispiel der Welser und der Salviati. Vor allem werden die Spielarten und Ebenen der Kooperationsformen thematisiert: Vertragliche und gesellschaftsrechtliche Aspekte werden beleuchtet und die Frage, wie diese Instrumente zur Erschlie?ung von regionalen M?rkten und deren Integration entlang der gro?en Handelswege genutzt wurden. Dabei ist zwischen unterschiedlichen  Netzwerkschichten zu differenzieren. Zun?chst bildeten geographische Verflechtungen das Handelswegenetz, dieses wurde von Waren- und Kreditbeziehungen ebenso wie von Wissensnetzwerken durchdrungen und überlagert. Die gemeinsame Firma des Florentiners Francesco Naldini und der Welser-V?hlin Niederlassung in Lyon, die 1507 als Einkaufsgesellschaft für Pastell und Wolle eingerichtet wurde, illustriert die horizontale Integration von Netzwerken an M?rkten. Neben der Verknüpfung lokaler M?rkte, auf denen H?ndler und Kaufleute mit Rohstoffen handelten, mit dem überregionalen Redistributionszentrum Lyon erfüllte die Naldini-Welser-V?hlin-Kommanditgesellschaft für das Unternehmen der Naldini-Salviati die Aufgabe, im Süden Frankreichs Fu? fassen zu k?nnen.

Zweitens bildet der Zusammenhang von Warenfinanzierungs- und Geldgesch?ften einen wesentlichen Bereich der Untersuchungen: Die Handelsbücher Florentiner Kaufleute erlauben nicht nur die Beschreibung der internen Entwicklung der italienischen Handelsgesellschaften und ihres Handels, vielmehr k?nnen auch die Verknüpfungen zwischen verschiedenen Gesch?ftsfeldern im Zusammenwirken mit oberdeutschen Kaufleuten analysiert werden. Wertvolle Güter wie Rohseide oder Seidentuche lie?en sich in eingespielten Gesch?ftsbeziehungen in Lyon weiterverkaufen, wobei die meisten Kaufleute als Zwischenh?ndler und Kommission?re auftraten. Luxuri?se Materialien wie Rohseide oder Fertigprodukte vertrieb man
innerhalb eines Kreises weniger Gesch?ftspartner, die dann den Weiterverkauf in ihre Herkunftsl?nder organisierten.

Drittens machen die franz?sischen Staatsfinanzen ('government finance') einen Schwerpunkt des Projektes aus: Die Perspektive der Handelsgesellschaften erlaubt nicht nur die Rekonstruktion der personellen Zusammenh?nge und der jeweils übernommenen Aufgaben, sondern auch die Analyse der Instrumente und organisatorischen Abl?ufe, die zur Aufnahme der immensen Kredite an die franz?sische Krone eingesetzt wurden. Durch die Analyse der Gesch?ftsbuchhaltung lassen sich die Zusammensetzung der Gl?ubigerkonsortien für die Kronanleihen Franz' I. (1515-47) und Heinrichs II. (1547-59) ebenso darstellen wie die Entwicklung der regulierten Verschuldung der Krone (ab 1555 im sog. 'Grand parti'). Der etatistische Blickwinkel wird dabei um die Interpretation der Rolle der bedeutenden franz?sischen Finanzgener?le, die vor allem im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts für die Einwerbung finanzieller Mittel für die Krone zust?ndig waren, der Mitglieder aus der hohen Fiskaladministration und der Gruppe der Kreditvermittler wie Johann Kleberger erg?nzt.

Viertens konzentriert sich das Teilprojekt auf die Entwicklung der verschiedenen 'nationes' in Lyon, ihr Verh?ltnis zueinander und die kulturelle Verflechtung zwischen ihnen: Die Beziehungen zwischen den ?merchant bankers’ fungierten ebenso als Wissens- und Wissensvermittlungsnetzwerke wie sie zur Entstehung eines kulturell vermittelnden Milieus führten. Zusammenfassend waren die hier untersuchten Marktbeziehungen in diversifizierte Gütertransfer-, Kapital- und Personennetzwerke eingebettet, so dass sich über die Erforschung dieser Netzwerke die Konstitution von M?rkten darstellen l?sst.

Einführend zum Projekt:

Heinrich Lang, Kaufmannsdiaspora 6. Florentinische Kaufmannsdiaspora, in: Enzyklop?die der Neuzeit 6 (2007), coll. 499-502.

Heinrich Lang, Internationale Handelsverflechtungen in der Frühen Neuzeit am Beispiel der Kooperation der Handelsgesellschaft Welser mit dem Bankhaus Salviati, 1496-1551, in: Neunhofer Dialog I: Einblicke in die Geschichte des Handelshauses Welser, hrsg. v. Angelika Westermann / Stefanie von Welser, St. Katherinen 2009, S. 41-58.

Heinrich Lang, Fremdsprachenkompetenz zwischen Handelsverbindungen und Familiennetzwerken. Augsburger Kaufmannss?hne aus dem Welser-Umfeld in der Ausbildung bei Florentiner Bankiers um 1500, in: Fremde Sprachen in frühneuzeitlichen St?dten. Lernende, Lehrende und Lehrwerke, hrsg. v. Mark H?berlein / Christian Kuhn (Fremdsprachen in Geschichte und Gegenwart, 7), Wiesbaden 2010, S. 75-91.