Das Heiligtum des Apollo Grannus von Neuenstadt am Kocher
Zwischen 2007 und 2013 untersuchte das Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg eine rund 2.000 m? gro?e Fl?che im Zentrum der antiken, 25-30 ha gro?en Siedlung von Neuenstadt a. K. (Lkr. Heilbronn). Der vicus, ex novo gegründet und wohl der Hauptort der Civitas Aurelia G(...), liegt im Kochertal, auf halber Strecke zwischen dem Neckar und dem um 160 n. Chr. vorverlegten Vorderen Limes.
An prominenter Stelle, auf einer künstlich terrassierten Gel?ndestufe, überragt der au?ergew?hnlich gut erhaltene, nicht überbaute Tempel vom Typ des klassizierten gallo-r?mischen Umgangstempels die Flussebene. Am Fu? des Tempels, im Talgrund, befinden sich zwei sechseckige Quellwasserbecken, zudem ist der Tempel über eine Portikus mit einem Hallenbau verbunden. Der freie Platz zwischen den beiden Geb?uden weist mehrere Brandalt?re auf. Bereits im 16. Jahrhundert entdeckte Inschriften erlauben es, das Heiligtum Apollo Grannus zuzuschreiben.
Auf den vermutlich schon vorr?mischen Kultplatz folgte - wohl im Zuge der Limesvorverlegung - die Errichtung des Tempels in Stein in der Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr. Eine Nutzung des Tempelinneren bis mindestens nach 254 n. Chr. legen Münzfunde nahe. Aus der Verfüllung eines der Wasserbecken stammt ein Antoninian des Kaisers Tacitus (275/276 n. Chr.), was auf die Aufgabe der Tempelanlage hinweist. Wurde folglich das Areal noch nach der R?umung des Limesgebietes um 260 n. Chr. begangen und wenn ja, von wem?
Das Forschungsvorhaben hat zum Ziel, Zeitstellung, Topographie, Planungskonzept und Bauabfolge des Tempels zu pr?zisieren wie auch dessen zeitliches Verh?ltnis zu den Brandalt?ren zu untersuchen. Da der Tempelkomplex für die Germania superior ein ?u?erst ambitioniertes und aufwendiges Bauprojekt darstellte, wird darüber hinaus zu analysieren sein, wie r?mische Administration und der Kaiser einem solch repr?sentativen Heiligtum eines mutma?lichen civitas-Hauptortes begegnete. War der Kult in Neuenstadt Ziel kaiserlicher F?rderung? Spielte der Kult des Apollo Grannus eine besondere Rolle für die Identit?t der Civitas ("Civitasreligion") und wer waren die Tr?ger des Kults? Welche Rituale spiegeln sich im Fundmaterial wider, sind Ver?nderungen in ihren Strukturen und Formen im Laufe der Zeit feststellbar und wie stehen die Ver?nderungen religi?ser Inhalte und Praxis mit Ver?nderungen in der Sakraltopographie in Zusammenhang? Welche Intention ist in dem Bautypus des Tempels zu sehen, bei dem sich einheimische Kulttraditionen mit r?misch-italischen Elementen vermischen? Zudem werden die Architektur des Heiligtums und seine urbanistische Einbindung mit religionsgeschichtlichen Inhalten verknüpft, um die Bedeutung und Nutzung der Kultanlage innerhalb der Stadt - an der Peripherie des R?mischen Reiches - zu begreifen. Schlussendlich wird die Entwicklung des Heiligtums in seinen historischen Kontext gestellt werden.